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Sterbfritzer Dorfchronik
Sterbfritzer Dorfchronik

Lag Egihelmeshus bei Sterbfritz

von Hans Engelhardt, Sterbfritz
erschienen im Bergwinkel-Bote 1975

 

Unter den zahlreichen Schenkungsurkunden des 8. und 9. Jahrhunderts nimmt innerhalb der alten Kinzigheimer Mark die von „Egihelmeshus“ in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Sie ist wie die ganz alten Dokumente in lateinischer Sprache gehalten und laute in deutscher Übersetzung wie folgt: 1)

 

„in Gottes Namen! Ich, Hruadaloh, schenke und übergebe – und ich will, dass dies auf ewig sei – an den heiligen Bonifatius (d. i. das Kloster Fulda, wo Bonifatius begraben liegt) als mein Almosen sowie das meines Vaters und meiner Mutter alles, was mir meine Eltern vererbt haben, nahe der Furt über die Kinzig, in einem Ort (nicht Dorf) namens Egihelmeshus. Der Besitz besteht aus Waldungen, Feldern, Wiesen, Weiden, abwärtsfließenden Gewässern, Häusern und eigenen Leuten (unfreie Familien), deren Namen Maghelm, Theotherih, Willirih und Uudilfrit sind, mit all deren Hausrat und erworbenem Besitz. Ich gebe dieses alles so, dass diese Übertragung fest und durch jede menschliche Person unwiderruflich ewig bleibe und niemand vermöge, durch Gewalt oder durch Betrug irgendwann einmal davon Besitz zu ergreifen.

Dies sind die Zeugen:

 

Arfrid, Reginger, Managrat, Uranbernhelm, Hludhart, Hrenuing, Ercanfrid,
Epco, Gisalfrid, Uuinirate, Alfrat, Hruadbero, Amalger, Arnhelm, Starcfrid,
Heido, Otram, Reginfrid, Hagund.“

 

In dieser sehr alten Urkunde ist der Gegenstand der Schenkung nicht wie gewöhnlich ein Hof innerhalb eines Dorfes, sondern eine Einzelsiedlung namens „Egihelmeshus“ (= Haus oder Gehöft des Egihelm). Dieser Gründername findet sich wiederholt in den Zeugenlisten anderer alter Urkunden, erstmals im Jahre 777 in der Hammelburger Markbeschreibung. Hier wird er mit den Namen anderer altansässiger freier Männer genannt, die ihre „Eigenhuben“ innerhalb dieser großen Mark besaßen und bei der endgültigen Festlegung der Markgrenzen als Zeugen fungierten. Die nächsten Nennungen des Namens erfolgen bei Schenkungen im Quellgebiet bzw. am Oberlauf der Kinzig, so im Jahre 795 anlässlich einer Übereignung zu Elm, dann ein Jahr später (796) bei Schenkungen im alten Mutterdorf Kinzig (Kinzigheim) und wiederum in dem erwähnten Dorfe Elm. Zum letzten Male erscheint der Name Egihelm im Jahre 801 und zwar in der Traditio Adelheres 2). Auch diesmal ist – wie in den Fällen zuvor – unter den vielen aufgeführten Zeugen der stets wiederkehrende Name Egihelm zu finden. Es darf daher angenommen werden, dass es sich jedes Mal um ein und dieselbe Person handelt, nämlich um jenen Egihelm aus der alten Hammelburger Mark, der bei der Besiedlung des Quelllandes der Kinzig zum Gründer von Egihelmeshus an der Kinzigfurt wurde und der der Vater des oben genannten Tradenten Hruadaloh war.

 

An der Dronkeschen Kopie Nr. 340 fällt weiter auf, dass sowohl die Unterschrift des Schenkenden (Hruadaloh) wie auch das Datum der Übereignung fehlen, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass im „Codex Eberhardi“, dem frühmittelalterlichen Fuldaer Urbarium, das der Mönch Eberhard im Auftrage seines Abtes Marquard I. in den Jahren von 1155 bis 1162 erstellte, nur ein verkürzter Text dieser alten Urkunde wiedergegeben ist. Da jedoch der Name des Schenkers einleitend genannt wird, ist das Fehlen der Unterschrift für uns unerheblich. Bezüglich des Datums der Ausfertigung der Urkunde nimmt Dronke an, dass sie zwischen 817 und 818 geschrieben worden sei. Diese Vermutung ist jedoch irrig, weil unter den Zeugen noch jener Otram zu finden ist, der bereits im Jahre 815 seinen gesamten Besitz dem Kloster Fulda übereignete. Es muss vielmehr angenommen werden, dass die Trad. Hruadaloh schon zwischen den Jahren 801 und 806 entstand, da der Vater Egihelm – wie bereits oben erwähnt – im Jahre 801 letztmals als Zeuge fungierte, sein Sohn Hruadaloh aber im Jahre 806 erstmals in einer Zeugenliste3) zu finden ist. Vermutlich starb der Vater kurze Zeit nach 801, so dass Hruadaloh sich dann nur für die Weiterführung des älteren elterlichen Hauptbesitzes in der Hammelburger Mark entschied und die etwas entlegene spätere Gründung Egihelmeshus dem Kloster Fulda im Sinne der Urkunde schenkte.

 

Für die Sterbfritzer wird diese Urkunde erst interessant, wenn wir den Blick auf den „Ort“ Egihelmeshus richten und nach seiner Lage fragen. Der Text der Urkunde verrät nur, dass er in der Nähe einer Furt durch die Kinzig lag. Da es heute keine Siedlung gleichen oder ähnlichen Namens mehr in diesem Bereiche gibt, zählt man Egihelmeshus zu den wüstgewordenen oder ausgegangenen Orten. Forscher aber haben sich bemüht, die Lage dieser Siedlung nachträglich doch noch zu erkunden. Die zahlreichen ehemaligen Furten durch die Kinzig (im heutigen Ortsbereich des Dorfes gab es allein schon drei solche) ließen Egihelmeshus bald an ihrem Unterlauf bei Hanau vermuten, bald verlegte man dies Gehöft an ihrem Mittel- oder Oberlauf, bis man endlich der Ansicht war, Egihelmeshus könne nur bei Sterbfritz gelegen haben, weil fünf der Zeugen in der Trad. Hruadaloh als Anrainer auch in der Zeugenliste der ersten Sterbfritzer Urkunde (815) vorkommen. Dieses Argument war zwar einleuchtend, aber man vermochte nicht, die in der Urkunde erwähnte Furt nun auch ausfindig zu machen.

 

In einem Aufsatz, den ich vor etlichen Jahren schrieb, vertrat ich die Meinung, die obere der ehemaligen Sterbfritzer Furten könne die gesuchte sein, und Egihelmeshus werde höchstwahrscheinlich am „Roten Baum“, im alten Waldland der Flur, gelegen haben. Nach eingehenden Untersuchungen aber muss ich nun meine damalige Ansicht revidieren, weil nämlich Egihelmeshus in solchem Falle so nahe bei dem Anwesen des Starcfrids gelegen wäre, dass man seine Lage nicht durch eine namenlose Furt, sondern durch die Nachbarsiedlung bezeichnet hätte. Wenn somit für den zu erforschenden Ort nur eine weiter abgelegene Furt in Frage kommen kann, so könnte es höchstens die in meinem Aufsatze noch erwähnte Furt unterhalb der alten Klingenmühle sein, denn hier, an der „saennerzer Waag“, wo die Weiperzer Flur keilförmig die Gemarkungen von Sannerz und Sterbfritz trennt, durchquerte einst in der Nähe der sogen. Furtäcker die „Alte Sannerzer Straße“ die Kinzig und führte jenseits weiter nach dem Dorfe Sannerz, sowie in die gegenüberliegende „Erbach“ und zur oben erwähnten Mühle.

 

 

Ist es auch in unseren Tagen (nach fast 1200 Jahren) bei so wenig örtlichen Angaben schwer, die genaue Lage von Egihelmeshus zu bestimmen, so lassen doch immerhin einige örtliche Gegebenheiten in diesem Flurteil die Möglichkeit zu, hier die ungefähre Stelle des ehemaligen Egihelmeshus zu finden. Da wäre bspw. Die lange Reihe der 19 Zeugen der Urkunde kaum anderwärts so einleuchtend zu erklären wie gerade hier, wo die Gemarkungen von Sterbfritz, Weiperz, Sannerz, Vollmerz und Ramholz den Egihelmischen Besitz umgrenzten; zum anderen lassen sich gerade hier die in der Schenkungsurkunde aufgeführten abwärtsfließenden Gewässer nachweisen, als da sind: Kinzig, Wolper und Erbach; auch die Felder, Wiesen und Weiden der Urkunde sind hier nebst den angegebenen Waldungen (Erbach, Allmicher Berg, Taubenkuppe und Langer Berg) vorhanden. – Und wenn ich das ebene Gelände zwischen Kinzig und dem gegenüberliegenden nördlichen Abhang ins Auge fasse, dann kann ich mir auch leicht vorstellen, dass dieses Areal einstmals dem Siedler Egihelm genügend Raum bot, seinen fränkischen Bauernhof mit den Behausungen seiner unfreien Leute hier zu errichten.

 

Heute stehen an dieser Stelle die Gebäude der ehemaligen Klingenmühle; und wenn ich alle Gegebenheiten noch einmal kurz überdenke, will mir scheinen, dass dieser heutige Siedlungsraum mit dem damaligen des Egihelms vor ca. 1200 Jahren identisch ist. Diese meine Annahme wird erhärtet durch eine wiederholt geäußerte Behauptung, die sich auf mündlich überlieferte Berichte stützt, dass nämlich die abseits gelegene Klingenmühle (zwar erst im Jahre 1356 urkundlich erwähnt) genauso alt ist wie das große Dorf Sterbfritz.

 

Klingenmühle bei Sterbfritz

 

Wie aber kann sich aus dem alten Egihelmschen Bauernhof ausgerechnet eine Mühle entwickelt haben? – Es ist eine geschichtlich bewiesene Tatsache, dass überall da, wo immer auch Benediktinermönche siedelten oder größeren Besitz erwarben, nie Mühle und Säge, Kalkofen und Kohlenmeiler fehlten. Da nun das Kloster Fulda schon früh in unserem Raume zahlreiche Besitzungen hatte und ausgedehnte Schenkungen im Laufe der Zeit hinzu erhielt, aus denen schon bald (wenn auch erst 1295 urkundlich belegt) der alte fuldische Lehnhof der Herren von Sterbfritz entstand, darf angenommen werden, dass für all diesen reichen Besitz und auch für die Umgebung eine eigene Mühle notwendig wurde. Nichts lag daher näher, als dass man das zwar außerhalb des Weichbildes von Starcfrideshuson, aber nahe der reichlich Wasser führenden Kinzig gelegene Gehöft „Egihelmeshus“ hierzu benutzte. Diese Annahme erhält eine gewisse Bestätigung durch die Tatsache, dass für das große Dorf Sterbfritz bis heute noch keine eigene Mühle nachgewiesen werden konnte.

 

So wird denn schon sehr früh der am „Wehrd“ (Wehr) abgezweigte Mühlbach seine Wassermassen gischtend und rauschen über das Mühlrad ergossen und dadurch dieser neuentstandenen Wassermühle den Namen „Klingenmühle“ (d. i. die von einem rauschenden Bach getriebene Mühle) verliehen haben.

 

1) Dronke, Codex Diplomaticus Fuldensis, Nr. 340
2) Ebenda, Nr. 173
3) Reimer, Hess. Urkundenbuch, Abt. II, Hanau I, Nr. 17

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