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Sterbfritzer Dorfchronik
Sterbfritzer Dorfchronik

Ein Sterbfritzer auf Langstreckenrekord

Im Weltkrieg Luftfahrtgeschichte geschrieben

von Jochen Melk

 

Betritt man den Kirchhof in Sterbfritz über das Treppenportal findet man rechter Hand das Ehrenmal, an dem jährlich am Volkstrauertag den Opfern beider Weltkriege gedacht wird. Die gefallenen Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges sind auf zwei Tafeln namentlich genannt. Unter ihnen finden wir den Namen Heinrich Pabst, ein Name, der heute nur noch im auch nicht mehr ganz so geläufigen Hausnamen „Pabste“ für die Familie Fluhr gegenwärtig ist.

 

Heinrich Pabst wurde am 24. Juli 1884 als Sohn des Bauern Johannes Pabst und seiner Ehefrau Margaretha geb. Strott im Haus Nr. 115 – heute Grünebergstraße 17 – geboren. Sein Zwillingsbruder Georg starb im Alter von 3 Jahren, zwei weitere Brüder im Kindesalter. Heinrich heiratete am 05. Dezember 1908 Gertrud Kehm aus Mottgers.

 

Er diente im Ersten Weltkrieg als Obermaschinenmaat auf einem Schiff der Kaiserlichen Kriegsmarine und fand am 07. April 1918 in der Straße von Otrando östlich von Italien im Mittelmeer mit der ganzen Besatzung ein feuchtes Grab. Aber kein Wasserfahrzeug ist hier gesunken, sondern ein Luftschiff, das legendäre L59, das auf einer abenteuerlichen Afrikafahrt einen spektakulären Langstreckenrekord zurücklegte.

 

Luftschiffe wurden bei der Marine und beim Heer zur Aufklärung benötigt. Die großen erreichbaren Flughöhen machten sie im Gegensatz zu Flugzeugen lange unerreichbar für die damalige Flugabwehr. Auch zu Bombardierungen, z.B. über England setzte man die Zeppeline ein.

 

Der Auftrag den das Luftschiff LZ104 / L59, so die komplette Kennzeichnung, zu bewältigen hatte, war hierzu gänzlich unterschiedlich. In der letzten verbliebenen deutschen Kolonie in Deutsch-Ostafrika kämpfte General von Lettow-Vorbeck in bedrängter Lage gegen britische, belgische und portugiesische Truppen. Eine Versorgung der Schutztruppe über See war nicht mehr möglich, deshalb plante das Reichskolonialamt mit dem Reichsmarineamt und dem Luftschiffbau Zeppelin eine Versorgungsfahrt per Luftschiff. Es gab erheblich Bedenken gegen das Unternehmen, besonders auch aus meteorologischer Sicht. Aber mit der Hoffnung auf eine hohe moralische Wirkung der gelungenen Fahrt wurde das Projekt in Auftrag gegeben. Allerdings war man sich auch bewusst, dass an eine Rückkehr des Luftschiffes nicht zu denken war. Die Treibstoffversorgung und der Ausgleich des Gasverlustes waren in der Kolonie nicht durchzuführen. Die Besatzung sollte der Verstärkung der Schutztruppe dienen, die auch Teile des Luftschiffes verwerten konnten.

 

 

Nach ersten Planungen im September 1917 wurde das seit August im Bau befindliche Luftschiff L57 nach den Erfordernissen der Fahrt umgebaut. Das Schiff wurde um 30 Meter auf 226,5 Meter verlängert und völlig entwaffnet , um mehr Ladung aufnehmen zu können. Bereits Ende September wurde L57 von der Zeppelin-Werft in Friedrichshafen nach Jüterborg überführt und die Ladung für Ostafrika an Bord verstaut.

 

Am Abend des 7. Oktobers wollte der Kommandant, Kapitänleutnant Bockholt, mit dem beladenen Schiff noch eine Probefahrt unternehmen, obwohl sich ein Tiefdruckgebiet und ein Gewitter näherten und der Wind stark aufgefrischt war. Bei der Landung im aufkommenden Sturm konnte das L57 von den Bodenmannschaften nicht mehr gehalten werden. Die Besatzung konnte zwar unverletzt von Bord gehen, das Luftschiff geriet aber beim Versuch mit Gewehrschüssen Gas abzulassen in Brand. Das Schiff und die Ladung waren Totalverlust.

 

 

 

 

Kapitänleutnant Ludwig Bockholt war bekannt geworden, als er als Kommandant von L23 bei einem Aufklärungsflug den norwegischen Schoner „Royal“ in der Nordsee nach einer Wasserung gekapert und als Kriegsprise nach Cuxhaven gebracht hatte.

 

Für den Verlust von L57 musste Bockholt zwar die Verantwortung übernehmen, das Kommando des kurzfristig umgebauten Ersatzschiffes L59 erhielt er trotzdem. Bereits am 30. Oktober konnte es zu seiner ersten Werkstattfahrt starten und am 3. November 1917 wurde L59, beladen mit 14 Tonnen Fracht für Ostafrika, nach Bulgarien zum Luftschiffhafen Jamboli, dem vorgesehenen Startplatz überführt. Von hier aus waren es immer noch fast 6000 Kilometer bis zum Zielort in Tanganjika.

 

Nach zwei abgebrochenen Startversuchen begann am 21. November endlich die nach der zurückgelegten Strecke bis dahin längste Fahrt eines Luftschiffs. Es gab beim Überfahren des Marmarameeres und des Mittelmeeres mehrmals ernsthafte Schwierigkeiten wegen des Wetters, aber sie wurden gemeistert. Das dicht besiedelte Niltal meidend, fuhr das Luftschiff über die glühend heißen Sandflächen der Wüste, deren schroffer Temperaturwechsel die Gasfüllung denkbar ungünstig beeinflusste. Nicht nur das Schiff, sondern auch die Mannschaft litt unter den menschenunwürdigen Bedingungen. Schließlich setzte auch noch der Antriebsmotor aus, der zugleich den Strom für das Funkgerät erzeugte, weshalb die Besatzung längere Zeit keinen Kontakt zur Leitstelle hatte. Als endlich die Funktelegrafie wieder funktionierte, etwa in Höhe von Khartum im Sudan, empfing Bockholt am 23. November 1917 einen Spruch von der Radiostation Nauen: „Unternehmen abbrechen, zurückkehren. Feind hat besetzt größten Teil Makonde Hochlands, steht bereits bei Kitangani, Portugiese greift von Süden Rest Schutztruppe an.“. L59 drehte auf Nordkurs und landete am 25. November wieder in Jamboli. Wenn auch in militärischer Hinsicht die Fahrt ein Fiasko war, so stellte L59 dennoch einen neuen Streckenrekord auf: 6757 Kilometer in 95 Stunden.

 

Erinnerungsfoto der Mannschaft nach der Afrikafahrt
Friedrichshafen im Januar 1918

Nach der Afrikafahrt wurde das Luftschiff 59 in Friedrichshafen zum Frontluftschiff umgebaut und wieder nach Jamboli überführt. Nach drei mäßig erfolgreichen Angriffsfahrten nach Süditalien, Neapel und Port Said im März 1918 startete L59 am 07. April 1918 zu seiner letzten Fahrt. Angriffsziel war diesmal der britische Flottenstützpunkt Malta. Zwischen der dalmatinischen Küste und Italien wurden gegen 20.30 Uhr von einem deutschen U-Boot aus hoch am Himmel zwei dicht nebeneinander liegende Feuerpunkte beobachtet, die sich kurz danach zu einer riesigen Flamme entwickelten. Deutlich konnte man den Umriss eines Luftschiffes erkennen. Mehrere Detonationen waren zu hören. Das brennende Luftschiff fuhr zunächst langsam weiter, brach dann zur Mitte hin zusammen und stürzte schließlich wie ein brennender Balken ins Meer. Der Kommandant des U-Bootes nahm mit äußerster Kraft Kurs auf die Absturzstelle, doch es war nichts zu finden.

 

Es steht heute fest, dass der Absturz nicht durch Feindeinwirkung erfolgte. Die Annahme, dass die Katastrophe durch einen technischen Defekt ausgelöst wurde, besitzt somit größte Wahrscheinlichkeit. Eine definitive Ursachenforschung konnte aber nie getroffen werden.

 

Es gab keine Überlebenden. So endete das Leben von Heinrich Pabst. Ein Leben, dass zusammen mit anderen Luftfahrtgeschichte schrieb. Mit der Fahrt des L59 über eine Distanz von 6757 Kilometer war für den Transatlantikverkehr ein Meilenstein gesetzt worden. Ferdinand Graf von Zeppelin, der geniale Erfinder der starren Luftschiffe verstarb am 8. März 1917 und hat die Fahrten von L59 nicht mehr erlebt. Im Jahre 1924 glückte erstmals eine Fahrt nach den USA ohne Zwischenlandung. Dann wurden die großen Verkehrsluftschiffe LZ 127 „Graf Zeppelin“ (Rundfahrt um die Erde) und LZ 129 „Hindenburg“ gebaut. Mit dem Brand dieses Luftschiffes am 06. Mai 1937 am Landemast von Lakehurst bei New York endet praktisch die Luftschifffahrt mit Zeppelinen in Deutschland.

 

 

erstellt März 2019

 

Quellen:

 

  • Lebenslauf von Friedrich Engelke auf www.buddecke.de
  • Heimatverein Siebengebirge e.V.
    Zur Erinnerung an den Maschinenmaat Karl Schmitz aus Königswinter
    Die legendäre Afrika-Fahrt des Luftschiffs L 59 im Ersten Weltkrieg von Frieder Berres

    Einzelheiten über die Fahrten des L 59 wurden weitgehend der Ausarbeitung von Wolfgang Meighörner-Schardt 'Wegbereiter des Weltluftverkehrs wider Willen - die Geschichte des Zeppelin-Luftschifftyps "w", Friedrichshafen 1992, entnommen, die von der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation angenommen wurde.
  • Einige Aspekte zur Afrika-Fahrt des Marine-Luftschiffs L59 von Dr. Karl-Wilhelm Schäfer
  • Nebenregister des Standesamt Sterbfritz, Hessisches Staatsarchiv Marburg, HstAMR Best. 913

 

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