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Sterbfritzer Dorfchronik
Sterbfritzer Dorfchronik

War Starcfrideshuson eine Sachsensiedlung

Von Hans Engelhardt, Sterbfritz
erschienen im Bergwinkel-Bote 1970

 

In meinen bisherigen Ausführungen stellte ich zunächst die aus dem Jahre 815 stammende Urkunde unserer Gemeinde in den Mittelpunkt einer Betrachtung und befasste mich dann eingehend mit jenem fast sagenhafte gewordenen „Starcfrid“, der vor ungefähr 1200 Jahren hier siedelte und zum Gründer unseres alten Dorfes wurde. Von ihm erhielt es auch seinen ursprünglichen Namen „Starcfrideshuson“. Bei meinen Untersuchungen stieß ich auf bemerkenswerte Fakten, die, obwohl Sterbfritz im fränkischen Siedlungsraum lag, mich veranlassten, als nächstes Thema die obige Frage zu stellen:


Vor fünfzig Jahren, als ich noch die Schulbank drückte, wäre es einfach und leicht erschienen, die obige Frage zu beantworten. Damals hatte sich seit dem Beginn der wissenschaftlichen Ortsnamensforschung bei uns eine Richtung durchgesetzt, die man mit dem Schlagwort „Stammestheorie“ bezeichnete. Sie versuchte, unsere hessischen
Ortsnamen zeitlich zu schichten und gleichzeitig bestimmten Volksstämmen, die früher einmal in unserem Raum siedelten, zuzuweisen. So galt zu meiner Zeit an vielen Schulen durchweg die Lehrmeinung, dass Orte, deren Namen auf „…ingen“ enden, sehr alt und alemannischen Ursprungs, Orte aber, deren Namen auf „…heim“ enden, erst später entstanden und fränkische Gründungen während der Landnahmezeit seien. Die sogen. „…hausen-Orte“ des 8. und 9. Jahrhunderts dagegen (zu denen auch unser Starkfrideshuson gehört, denn die älteren sprachlichen Formen des Grundwortes …hausen lauten: …husen, …huson, …husun und …husum) hielt man für noch jünger und ehemalige Sachsensiedlungen. Wenn auch inzwischen einige Ortsnamensforscher 1) zu anderen Ergebnissen gelangten, so hat die alte Stammestheorie doch auch heute noch Anhänger, und ich halte es in unserem Falle für angebracht und wertvoll, nachfolgend in etwas eingehenden Untersuchungen das bewusste „Körnchen Wahrheit“ in der alten These von den „…hausen-Siedlungen“ einmal aufzuspüren.


In der fränkischen Landnahmezeit nach der Schlacht bei Zülpich (496) wurde mit den Mainlanden auch unser Kinzigtal fränkisches Königsland; und da nach alter Tradition dem Schwerte stets der germanische Pflug nachzog, erfolgte bald auch hier der allmähliche Ausbau des Landes aufwärts der Kinzig und fränkischen Saale sowie in ihren Nebentalungen. Alte Siedlungen wurden „verfrankt“ und neue entstanden. In diesen Zeitläufen mag es gewesen sein, dass das Dorf Kinzigheim (später kurz Kinzig genannt) zum Hauptorte einer weiten fränkischen Mark und neben Hammelburg wahrscheinlich auch mit zum Ausgangspunkt der weiteren Besiedlung des Quelllandes unserer Kinzig wurde. Forscher 2) nennen als ungefähre Zeit dieser Ortsgründungen die Mitte der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und stimmen hierin mit Urkundenexperten des Marburger Staatsarchivs überein.


Danach würde also die Gründung unseres alten Dorfes Starcfrideshuson in das vorletzte Jahrhundert der großen fränkischen Siedlungsperiode (500 bis 900) fallen, in dem in den riesigen Königsforsten und hauptsächlich auch in den abgelegenen Waldgebieten zahlreiche Einzelhöfe und Dorfsiedlungen entstanden. Ein ganz besonders markantes Ereignis aber hat den großangelegten fränkischen Siedlungsplan gerade in dieser Zeit stark beeinflusst und vorangetrieben und könnte leicht zum wichtigsten Indiz für die oben erwähnte Stammestheorie werden: die langen Sachsenkriege Karls des Großen mit der wiederholten Umsiedlung großer Teile des Sachsenvolkes. Rektor Maldfeld, Steinau, ein anerkannter Heimatforscher unseres Bergwinkels, nennt auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen 3) vier Massendeportierungen allein während des letzten Abschnitts (792 bis 804) der Sachsenkriege. Auch er hebt hervor, dass besonders viele Sachsen in unserem Raume, in den Gebieten des Stiftes Fulda und des Bistums Würzburg, eine neue Heimat fanden, da Abt Sturmius wie auch die Bischöfe Meginaud und Bernwelf sich „lebhaft an der Unterwerfung und Missionierung des Sachsenlandes beteiligt hatten“.


Unser Quellland der Kinzig sowie das nahe Sinntal und der alte Kulturraum der  fränkischen Saale aber scheinen bereits gleich zu Beginn dieses Krieges Siedlungsgebiet für die Ostfalen, jene freiwillig übergelaufene Sachsen, gewesen zu sein, da die Annalen vom Jahre 775 über deren frankenfreundlichen Führer (Graf Hessi) wie folgt berichten 4):

 

 „…Der König (Karl der Große) setzte nun über den Fluss (Weser) und rückte mit einem Teil des Heeres bis zur O(c)ker vor, wo Hessi, einer der Häupter der Sachsen, mit allen Ostfalen vor ihm erschien, die Geiseln, die der König verlangte, stellte und den Eid der Treue leistete. Als er (der König) von da zurück nach dem Buckigau (ins Bückeburgische) kam, erschienen ebenfalls die Angrarier (auch „Engerer“ genannt, die zwischen den Ostfalen und Westfalen beiderseits der Weser wohnten) mit ihren Großen vor ihm und stellten wie die Ostfalen Geiseln und schwuren Gehorsam…“. 

 

Maldfeld erwähnte dieses Ereignis nur kurz, fügte aber hinzu: „Graf Hessi ließ sich taufen und wurde wegen seiner Treue zu Karl dem Großen hoch geehrt.“. 

 

Es erscheint nur logisch anzunehmen, dass Hessi, die Rache Wittekinds fürchtend, mit seinen Ostfalen die sächsische Heimat verließ und im weiten Frankenreich Aufnahme fand. Einige Anzeichen sprechen dafür, dass Karl der Große ihn mit den Seinen im Bereich des alten Saalegaues ansiedelte:

 

  1. Da ist zunächst der Ort Hessdorf zu nennen, nur wenige Kilometer östlich von Gemünden und nahe der fränkischen Saale. Er trägt allem Anschein nach (urkundl. Allerdings nicht nachweisbar) seinen Namen (Hessidorf?) und wird vermutlich als gemeinschaftliche Sachsensiedlung von ihm gegründet sein.
  2. Wir wissen zwar nicht, ob Hessi von Karl dem Großen gleichzeitig als Graf des Saalegaues eingesetzt war. Sicherlich aber war sein Schwiegersohn Unswan, der Gemahl seiner Tochter Gisela, amtierender Graf, denn der nach dem Großvater benannte Sohn beider hatte dieses Amt inne und leitete im Jahre 838 als „Graf Hessi“ in dem nur einen Kilometer von Hessdorf entfernten Karagoltesbah (Karsbach) ein öffentliches Gaugericht 5).
  3. Ein Nachfahre von diesem, auch wieder ein „Graf Hessi aus altsächsischem Geschlecht“, war noch ungefähr hundert Jahre später in unserem Raume ansässig. Nach alten Überlieferungen schenkte er, nachdem er Güter in Züncilesbah (Züntersbach) dem Kloster Fulda übereignet hatte 6), im Jahre 923 seinen gesamten Besitz „in seinem Dorfe Otekarestorph (Mottgers) in der Kinziger Mark in seiner Grafschaft und im Saalegau“ 7) dem gleichen Kloster.


Aber auch manch andere Anzeichen – besonders Flur- und Ortsnamen in diesem Raume – deuten ebenfalls die frühe Anwesenheit der Sachsen an. Da liegt genau östlich der Hurzfurt (fränkische Saale – Gemeinde Gräfendorf) der in der alten Hammelburger Markbeschreibung genannte „Elm“, jetzt Ammelswald am Ammelsberg genannt 8). Er erinnert an jenen bewaldeten Höhenzug gleichen Namens im Ostfalenlande, südöstlich von Braunschweig, auf dem das Flüsschen „Schunter“ entspringt, das dann in anmutigem Lauf den ganzen Nordrand des Bergrückens umfließt. Sicherlich ist es kein Zufall, wenn nun auch hier in unmittelbarer Nachbarschaft ein Wasserlauf ähnlichen Namens, die Schondra, zu finden ist und Ortsnamen wie Schondra, Schönderling und Schonderfeld auftreten. Wenn die Deutung: Elm = Ammel = Ulme stimmt, 9) könnte auch der Name unseres Nachbardorfes Elm am Elmbach bei Schlüchtern ähnlicher Herkunft sein oder sich zumindest auf einen der zahlreichen gleichen oder verwandten Ortsnamen im niederdeutschen Raum beziehen. Bei so viel Gleichklang der Namen wundert es uns nun nicht mehr, dass es neben unserem alten Gronau (Altengronau) im nahen Tale der Sinn einen Ort gleichen Namens auch im Sachsenlande gibt (Gronau in der grünen Aue des Leinetales, südwestlich von Hildesheim).


Doch stellen wir nach diesen Ermittlungen endlich einmal Sterbfritz (das alte Starcfrideshuson) in den Mittelpunkt unserer Erörterungen! Wenn Sachsen unseren Ort gegründet haben sollen, dann müssen auch in unserer Gemarkung noch „Spuren von ihren Erdentagen“ zu finden sein. Das ist tatsächlich auch der Fall, denn alte Flurnamen deuten ihre Anwesenheit an. Einige von ihnen 10) seien darum hier aufgeführt:


Unterhalb des alten Sportplatzes, zwischen der „Lenk“ und der „Baasthell“, breitet sich ein flachwelliges Acker- und Wiesengelände aus. „In der Herstete“ heißt dieses Areal auf unserer Flurkarte. Der Volksmund nennt es „Harschdere“ und weiß weder mit diesem noch mit jenem Namen etwas anzufangen, ein deutliches Zeichen dafür, dass die beiden Wortstämme längst aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind und der Flurname schon sehr alt ist. Wollte man die gebräuchliche Schriftumsetzung für die Hochsprache anwenden, müsste man „Herstede“ schreiben. Obwohl die Bezeichnung „stete“ auch anderwärts in Mittel- und Süddeutschland übernommen wurde, verrät doch der ganze Habitus unseres Flurnamens schon auf den ersten Blick denselben Zungenschlag wie im niederdeutschen Sprachgebiet etwa die Orts- bzw. Flurnamen: Dingstede, Halbstede, Rastede, auch Bümmerstede, Westerstede, Wiefelstede u. ä. 

 

Nicht ganz so leicht lässt sich die sächsische Herkunft eines anderen Flurnamens erkennen. Wer heute den Weg „Am Tunnel“ entlanggeht und den parallellaufenden „Roten Baumweg“ betritt, befindet sich in einer unserer zahlreichen schönen Radsiedlungen. Auf unserer Flurkarte heißt dieser weite Flurabschnitt „Roter Baum“; und so mancher alte Sterbfritzer, nach der Herkunft des Namens befragt, erzählte von einem niedergelegten großen Wald, aus dem von allen Laubbäumen nur ein einziger stehen blieb (etwa ein mächtiger Ahorn), der dann viele, viele Jahre zur Herbstzeit mit seiner flammendroten Krone weithin über die Wiesen und Felder leuchtete. Es fällt auf, dass auch hier die Volksetymologie sich nicht an die volkstümliche Bezeichnung hält, sondern nur an den (meist verfälschten) hochdeutschen Namen; denn im Volksmunde heißt dieses Gebiet „Rorer Baam“. Bestimmt hat der Name nichts mit roter Farbe zu tun. Wahrscheinlich steckt in ihm das altsächsische Adjektiv „Hror“ = beweglich. Das altsächsische Verb „Hroren“ würde danach so viel wie „bewegen“, bedeuten, in unserem Falle also im Sinne von Erdbewegungen durch Menschenhand, was wir in der Schriftsprache mit „roden“ bezeichnen. Ich konnte noch vor Jahren durch alte Bauern feststellen, dass man früher für das Roden im Walde den Ausdruck „roren“ gebrauchte. Danach würde also „Roter Baam“ so viel wie „gerodeter Baum“ bzw. „gerodeter Wald“ bedeuten und darauf hinweisen, dass hier vermutlich erste sächsische Ansiedler durch Rodearbeiten im Wald neues Kulturland erschlossen.

 

Sterbfritz "Am Roten Baum"

 

Und nun noch ein drittes Beispiel: Unterhalb der Klingenmühle, wo die Gemarkungen von Sannerz und Sterbfritz aneinandergrenzen, zwingt eine Sandbank unsere Kinzig zu einer ansehnlichen Mäanderwindung. Auf der Karte heißt dieser Flurteil „Die saennerzer Waag“. Der Volksmund bezeichnet dieses Gelände als „sännetzer Woach“. Zur Verwunderung der Umwohner führte hier früher lediglich eine Furt über die Kinzig, niemals aber ein „Weg“ nach Sannerz. Auch hier ist die Lösung des Problems nur durch die Ableitung von einem altsächsischen Wortstamm 11) möglich. Das altsächsische „wag" bedeutet so viel wie Flut, Strom oder bewegtes Wasser. Wenn man bedenkt, dass früher weit mehr Quellen im „Buch“ und in den Kinzigwiesen flossen und jede Quelle mehr Wasser führte als heute, ist leicht einzusehen, dass gerade hier an der Mäanderwindung der Kinzig ein größerer Wasserstau entstehen musste, weil die hemmende Kraft der Sandbank den zügigen Durchfluss verhinderte. Die dadurch sichtbar werdenden Strudel und bewegten Wassermassen werden unsere Altvorderen zur obigen Namensgebung veranlasst haben. Vielleicht steckt in unserem hochdeutschen Wort „Woge“ noch ein Rest dieses altsächsischen Wortstammes.


Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass sich zur Zeit die Flurnamenstelle des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, Marburg, in dankenswerter Weise bemüht, das Dunkel, das über einen Großteil unserer hessischen Flurnamen noch lagert, aufzuhellen. (Dem Vernehmen nach soll mit der Bearbeitung der Flurnamen unseres Kreises schon begonnen worden sein.) 

 

Wenn dann einmal die bereits vorliegenden 170 (und noch 35 weitere) Flurnamen der Sterbfritzer Gemarkung bearbeitet sein werden, kann über den Anteil altsächsischen Sprachgutes umfassender ausgesagt werden. Es wäre überdies von besonderem Wert, wenn zugleich von berufener Seite, etwa von Mundartforschern und Germanisten, einmal die noch vorhandenen Beziehungen überhaupt zwischen diesem sächsischen Sprachgut und unserer Mundart (vielleicht sogar dem besonderen örtlichen Idiom) aufgezeigt und letzte überkommene Reste bzw. Spuren sichergestellt werden könnten.


Weit wichtiger jedoch als diese sprachlichen Relikte sind für unser Thema Hinweise, die sich auf die Menschen beziehen, die Flur und Feld benannten: die ersten Siedler unserer Gemarkung. Aber nur spärlich fließen die schriftlichen Quellen, die Auskunft über sie geben können. Die erste Urkunde, die unseren Ort erwähnt, stammt aus dem Jahre 815 (also 3 bis 4 Jahrzehnte nach der wahrscheinlichen Ortsgründung). Sie berichtet lediglich über eine Schenkung an das Kloster Fulda 12), enthält aber neben dem Namen des Schenkers auch die Namen der 12 Zeugen. Ein Teil der Namensträger mag schon das Greisenalter erreicht, ein weiterer Teil bereits der zweiten Generation angehört haben, einige wenige sogar die Enkel der ersten Kolonisten gewesen sein. Von allen aber darf angenommen werden, dass sie noch die in ihrer Herkunftslandschaft gebräuchlichen Namen getragen haben. Wenn nun Goethe den Faust im 1. Teil seiner Tragödie auch sagen lässt: „Name ist (nur) Schall und Rauch“, so möchte ich doch in unserem Falle mich mehr der Ansicht des alten Plautus anschließen, von dem das Zitat stammt „Nomen est omen!“ Denn aus der Art alter Namen können heute noch Rückschlüsse auf die Herkunft ihrer Träger gezogen werden.


Unter Zuhilfenahme einschlägiger Werke, insonderheit eines entsprechenden Namenskatalogs von Wilhelm Schlaug 13) konnte ich 6 der 13 Namen unserer Urkunde einwandfrei als dem altsächsischen Namensgut zugehörig ausweisen. Waren aber nun diese sechs Männer auch wirklich die Gründer unseres Dorfes? – Um der Lösung dieser Kardinalfrage näher zukommen, bedarf es zuvor einer sachlichen Klärung: Das Grundwort „…huson“ in unserem alten Dorfnamen ist der Dativ Pluralis. Starcfrideshuson“ müsste, mit der gebräuchlichen Präposition „zu“ verbunden und in die sprachliche Form unserer Tage übersetzt, demnach lauten: zu den Starcfrideshäusern. Diese Formulierung aber kann den Leser leicht zu der Annahme verleiten, dass unser Ort etwa als Gemeinschaftssiedlung gegründet worden sei. Dem ist nicht so. Die ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen Orte Otecarestorph  (Mottgers) im nahen Sinngrund und das bereits erwähnte Hessdorf im südlichen Saalegau beweisen, dass man seinerzeit für Massensiedlungen das passendere Grundwort „…torph“ (lateinisch: turba = Haufe, Schar) wählte. Starcfrideshuson dagegen ist allem Anscheine nach aus einer Einzelsiedlung hervorgegangen wie auch die anderen Orte mit genetivischem Namen in unsrem Raum, nämlich Breunings, Weiperz, Sannerz, Vollmerz, Gundhelm, Herolz und Bellings sowie vielleicht auch noch einige inzwischen ausgegangene Dörfer gleicher Namensstruktur. Unser Ort hieß damals (analog dem benachbarten Egihelmeshus) sicherlich noch Starcfrideshus. Erst als dann später Sachsen und Franken in der Nähe dieser Einzelhöfe angesiedelt wurden, mehrten sich auch um das Starcfrideshus herum die Häuser und Gehöfte, und aus der ehemaligen Einzelsiedlung wurde ein Weiler, ein Dorf, und aus dem Namen Starcfrideshus wurde so Starcfrideshuson. 

 

Nun ist es nicht mehr allzu schwer, vom Gründernamen ausgehend, unsere Frage zu beantworten: War Starcfridshuson eine Sachsensiedlung? – Der Name Starcfrid ist ein in den Urkunden nicht gerade häufig belegter Name. Über sein Vorkommen im Saalegau, Grabfeld- und Wormsgau habe ich bereits eingehend im 2. Teil meiner Artikelserie berichtet. In unserem Falle interessiert aber weniger das Verbreitungsgebiet des Namens, sondern mehr seine Herkunft. In den alten Urkunden des Sachsenlandes 14) ist er nicht zu finden; auch die altsächsische Namenstabellen 15) führen ihn nicht. Von den beiden Wortstämmen „starc“ und „frid“ ist lediglich der letzte vertreten, aber auch da nur in der Form von „frithu“ (=Friede). Daraus geht eindeutig hervor, dass der Name Starcfrid kein sächsischer Personenname ist und Starcfrideshuson keine Sachsengründung. Das schließt jedoch keineswegs aus, dass später auch deportierte Sachsen daselbst neue Wohnsitze gefunden haben und so – wie bereits erwähnt – aus dem „Starcfrideshus“ ein „Starcfrideshuson“ erstehen ließen. Ob das schon sehr bald nach der Errichtung des Starcfridschen Hofes geschah, darüber schweigen leider Urkunden und Berichte.


Nachbemerkungen: Im Rübelschen Geschichtswerk „Die Franken“ 16) fand ich meine Vermutung bestätigt, dass die Aufteilung und Besiedelung des weiten Königslandes (somit auch des Quellgebietes unserer Kinzig) ganz planmäßig in der Form der Markensetzung erfolgte und zunächst Franken durch Landschenkungen ganz bestimmter Größe (Streubesitz) bedacht wurden. Sachsen wurden gewöhnlich zahlreich, aber stets im Siedlungsverband mit Franken eingesetzt. Nur in Ausnahmefällen, in denen sich besonders treue Sachsen eigene Siedlungen durch selbständiges Roden geschaffen hatten, wurden diese wegen der vorliegenden besonderen Verdienste nachträglich vom König genehmigt oder – wie vermutlich im Fall Hessi – ausdrücklich vorher gestattet. Es ist darum irrig anzunehmen, dass die deportierten Sachsen in den neuen Wohngebieten „stammheitlich reine Sachsensiedlungen“ nach eigenen Plänen gründeten, zumal auch die neuesten Ergebnisse der Flurnamenforschung für den in zahlreichen Ortsnamen enthaltenen Wortstamm „Sachsen…“ (oder auch „…sachsen) eine ganz andere Deutung bringen. –

 

Beim Sichten der einschlägigen Unterlagen meiner Arbeit stieß ich des Öfteren auf den Namen unseres alten Dorfes Kinzigheim und seiner fränkischen Mark. Es wäre eine zwar schwierige, aber doch auch wieder interessante Aufgabe, einmal alle vorhandenen diesbezüglichen Angaben aus alten Urkunden in der Form einer Bestandsaufnahme zu sammeln und dann vielleicht sogar eine, wenn auch nur lückenhafte, Zusammenschau zu versuchen.

 


1) z. B. Ernst Schwarz, Deutsche Namenforschung, II. Orts- und Flurnamen, Göttingen 1950
2) H. Bingemer, Über das Alter der genetivischen Ortsnamen in der Umgebung Schlüchterns – „Unsere Heimat“, 10. Jahrg., Nr. 7/8, S. 71
3) Maldfeld, Aus der Geschichte unserer östlichen Kreishälfte - „Unsere Heimat“, 10. Jahrg., Nr. 7/8, S. 216
4) Einhards Jahrbücher, Leipzig 1940, Seite 61 ff. – Hist. Sem. Kiel: Ma 1050/17
5) Dronke, Traditiones et Antiquitates Fuldensis, Nr. 513 (Es handelte sich um die Rückgabe einer größeren Rodung – Bifang – aus dem Dorfe Elm an das Kloster Fulda)
6) Schannat, Corpus Traditiones Fuldenses, Nr. 555
7) Ebenda: Nr. 565 (Karl d. Gr. Hatte an die Stelle der altgermanischen Gauverfassung Grafschaftsverfassung gesetzt. Die Schreiber in den Kanzleien aber bedienten sich bei Lagebestimmungen – wie oben – beider Bezeichnungen nebeneinander.)
8) Ullrich, Chronik der Stadt Hammelburg.
9) Nach F. Warmuth, Kreisarchivpfleger, nehmen alle Forscher der alten Hammelburger Markbeschreibung diese Ableitung eindeutig an. – Auch der bekannte Flurnamenforscher E. Schwarz, Regensburg (Deutsche Namenforschung II. Orts- und Flurnamen, S. 271), leitet den Flurnamen „Elm“ von dem altsächsischen Wort „elm“ (= Ulme) ab. – Dr. Flechsig vom Landesmuseum Braunschweig bestreitet als Sprachenforscher diese Deutung. Nach ihm ist das Wort „Elm“ weitaus älter und dürfte mit unserer Ulme nicht im Zusammenhang stehen.
10) „Alte Flurnamen in der Gemarkung Sterbfritz“ (Manuskript d. Verf.)
11) Wilh. Schlaug, Die altsächsischen Personennamen (und Wortstämme) vor dem Jahre 1000 – Schlesw.-Holstein. Landesbibliothek Kiel.
12) Pistorius, VI. Frankfurt 1607, Germanicarum antiquitarum Thesaurus, Seite 464.
13) Wilh. Schlaug, Die altsächsischen Personennamen ff.
14) Ebenda.
15) Ebenda.

16) Rübel, Die Franken, ihr Eroberungs- und Siedlungssystem im deutschen Volkslande

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