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Sterbfritzer Dorfchronik
Sterbfritzer Dorfchronik

Von der alten Mark Kinzig

von Hans Engelhardt, Sterbfritz
erschienen im Bergwinkel-Bote 1976

 

In den Nachbemerkungen zur Folge 3 (Kalenderjahr 1970, Seite 102, letzter Abschnitt) deutete ich die Absicht an, zu gegebener Zeit einmal die in den einzelnen Urkunden und Aufsätzen aufgezeichneten Angaben über die alte Mark Kinzig in der Form einer Bestandsaufnahme zu sammeln und dann mit ihrer Hilfe eine (wenn auch nur lückenhafte) Gesamtschau zu wagen. Nach ca. 20-jähriger Beschäftigung mit alten Dokumenten und Berichten ist es nun so weit, meinen Artikel zu beginnen.

Der Name „Mark“ der in alten Urkunden und Aufsätzen wiederkehrt, hat nicht immer die gleiche Bedeutung und blieb daher lange Zeit dunkel und ungeklärt. So wurde er öfters für besiedelte größere und kleinere Gebiete gebraucht, um die sich häufig unbebautes Land oder dichter Wald zog, der anfangs noch als herrenlos galt und meist die Grenze bildete. Was innerhalb dieses Gürtels lag: die Wohnstätten, die Felder und Weiden, bildete die altgermanische Mark, wie sie bereits Cäsar um 50 vor Chr. und auch noch bei Ulfilas um 350 nach Chr. beschrieben ist. Der Sippenverband hatte den Siedlungsraum nach Hammer- bzw. Beilwurflängen und -breiten zugewiesen bekommen, zunächst die Behausungen gemeinsam errichtet, dann das notwendige Ackerland gemeinsam gerodet und bestellt und die Felder ebenso gemeinsam wieder abgeerntet. In dieser Mark – auch Urmark genannt – herrschte noch die alte Zweifelderwirtschaft, die man nach ihrem steten Wechsel auch als Feldgraswirtschaft bezeichnet und in der die Viehweide die Grundlage der Ernährung bildete.


Erst nach und nach entwickelte sich hier das erste Privateigentum, das Allod. Anfangs waren es nur die Hofstätten. Später folgte dann die Zeit, in der nach Hammer- bzw. Beilwurflängen und -breiten Einzelfelder abgeteilt und alljährlich von den einzelnen Familien ausgelost wurden. Die unterschiedliche Bearbeitung der Felder brachte es mit sich, dass die Verlosung in immer längeren Intervallen erfolgte, bis dann die letzte Auslosung in den festen Besitz der Felder einmündete. Die Wiesen und Weiden jedoch blieben nach wie vor Allgemeinbesitz (Allmende) und reichten gewöhnlich bis an den Waldrand. Je tiefer der Waldgürtel sich zwischen den einzelnen Urmarken breitete, desto sicherer fühlten sich die Bewohner. Aber so ganz herrenlos blieb der Wald nicht: Die allmählich dichter werdende Besiedlung gebot, dass sie Markgenossen schließlich nur noch einen Waldstreifen von einer Hammer- bzw. Beilwurftiefe nutzen durften. Das übrige Gebiet bildete nun für lange Zeit die neutrale Zone zwischen den Sippensiedlungen. In ihr durfte weder Weidevieh austreten, noch durfte das gejagte Wild dorthin verfolgt oder Holz von da geholt werden. Auf diese Weise entwickelte sich nach und nach die altgermanische Mark mit ihren immer wiederkehrenden Eigenheiten.


Ob früher einmal auch im Quellland und am Oberlauf unserer Kinzig solch altgermanische Marken bestanden haben, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Einige Anzeichen aber sprechen dafür. Vermutlich waren solche Marken während der Völkerwanderung auch auf unserem Boden entstanden und da wiederum höchstwahrscheinlich in den Zeiten der Alemannen, die im 4. bis 6. Jahrhundert sowohl in den Mainlanden wie auch in ihren Nebentalungen ansässig waren und in dieser Zeit mit ihren Völkerschaften 27 Gaue eines weiten Raumes bewohnten. Es sei hierbei erwähnt, dass unser heutiges Bergwinkelgebiet damals zum alemannischen Gau der Bucinobanten, d. h. der Bewohner des Buchenlandes, gehörte. Von ihm stammt die spätere Bezeichnung „Buchonien“. Dieser alemannische Gau umfasste ursprünglich den Vogelsberg, das Land an der oberen Fulda, das Gebiet der fränkischen Saale und die Rhön bis an die obere Werra. Er gliederte sich in die heute noch bekannten Untergaue: den Grabfeldgau, über den um die Mitte des 4. Jahrhunderts König Hariobaud herrschte, die Wetterau, auch Wettereiba genannt, über die zur selben Zeit König Makrian regierte, sowie des Saalegau, der erst viel später genannt wird. Aus dieser Zeit mag noch ein Teil unserer alten Fluss-, Berg- und Ortsnamen stammen sowie der eingangs erwähnte Brauch des Beil- oder Hammerwurfs, der sich bis ins 14. Jahrhundert hinein in unserer Gegend für bestimmte Abgrenzungen erhalten hat, denn ein Weistum vom Jahre 1331 besagt, dass das Fischrecht des jeweiligen Hofmüllers zu Schlüchtern, in seinem Mühlbach so weit reichen soll, wie der Müller „mit seinem Beile, auf dem Mühlrad stehend, über sich und unter sich werfen kann“.


Wir begegnen der Bezeichnung „Mark“ in unseren Geschichtsbüchern auch als Benennung wichtiger Grenzlande wie etwa Ostmark, Pannonische Mark, Sorbische Mark, Dänische Mark und Nordmark. Weit häufiger gebrauchte man dieses Wort jedoch für die mittelalterliche Dorfflur. – Aber nicht nur weltliche Siedlungsräume führten die Bezeichnung „Mark“, auch kirchliche Abgrenzungen wurden so benannt; man sprach dann bspw. Von der Mark des Klosters Fulda bzw. von der Mark der Großpfarrei Ramholz. – Wenn nun alte Urkunden aus dem 8., 9. und 10. Jahrhundert wiederholt eine Mark Kinzig nennen, so ist darunter weder die oben beschriebene altgermanische Urmark zu verstehen noch ein Grenzland oder ein kirchlicher Bereich, auch nicht eine mittelalterliche Dorfmark, denn die Mark Kinzig war ebenso eine weite fränkische Mark wie die im Jahre 747 gegründete Mark Fulda oder die im Jahre 777 beschriebene Hammelburger Mark. – Mir scheint es angebracht, hier zunächst einmal einige charakteristische Grundzüge der fränkischen Markensetzung darzustellen, denn mit der fränkischen Mark tritt eine völlig neue Methode der Grenzabsetzung auf germanischem Boden auf.


Da muss zunächst einmal herausgestellt werden, dass die Gründung einer fränkischen Mark stets im sogen. „eremus“ erfolgte, das heißt, in dem durch die Landnahme völlig herrenlos gewordenen Gebiet, in welchem also weder die seither bestehenden Grenzlinien gelten, noch die bisherigen Besitzverhältnisse anerkannt werden. Das sehen wir sehr deutlich bei der Gründung der Fuldaer Mark: Die ehemalige alte Grenze zwischen Wetterau und Grabfeldgau, die vorher noch mitten durch diesen Raum lief, war plötzlich ausgelöscht, und die seitherigen Grundbesitzer in diesem gebiete mussten ihr Land freiwillig hergeben, „und sie taten es“, schreibt Eigil, „sofort und mit allem Fleiße“, weil sie sonst das mit der schärfe des Schwertes hergestellte „desertum“ (die gewaltsame Enteignung) befürchten mussten.


Die Grenzabsetzung selbst verlief im neuen Volksland der Franken gewöhnlich wie folgt: Als erstes bestimmten geeignete königliche Beamte von einem Hauptflusse aus zunächst die Lage des Hauptortes der Mark (Mutterdorf) und erkundeten dann das in Aussicht genommene Gelände. Sie gaben hernach genauen Bericht über die Bodenqualität, über den Lauf des Wassers, die einzelnen Quellen, die Täler, Hügel und Erhebungen, kurz über alles, was sich auf das ausgedehnte Terrain bezog. Die Angabe der Bodenqualität war deshalb so wichtig, weil nach ihr der König die „quantitas terrae“, die Ausdehnung und Größe der zu gründenden Mark bestimmte. So schenkte der fränkische Hausmaier Karlmann nach erhaltenem Bericht dem hl. Bonifatius im Jahre 747 die zu gründende Mark Fulda mit den Worten: „Ich übergebe Dir hiermit den Ort, den Du begehrst, und der Aihloh genannt wird und an den Ufern der Fulda liegt, derart, dass sich seine Grenzen von allen Gegenden, von Osten und Westen, von Süden und Norden auf 4000 Schritte erstrecken sollen“. – Nun erst konnten die eigentlichen Markscheider, die praefecti, forestarii, missi, vasalli domini – oder wie man sie auch genannt haben mag – aufbrechen und die äußeren Grenzen der neuen Mark endgültig festlegen, signieren. Während also der Ausbau der altgermanischen Mark sich von innen nach außen vollzog, erfolgte der Ausbau bei den Franken in umgekehrter Weise, von außen nach innen.

 

 

Ob im Falle unserer Mark Kinzig bereits schon in der fränkischen Landnahmezeit, etwa im 6. Jahrhundert nach der Besiegung der Alemannen (496) und der Zerstörung des Thüringer Königreiches (531) bewaffnete fränkische Königsleute, dem Laufe der Kinzig folgend, in unserem Raume Stützpunkte anlegten, das Dorf Kinzigheim als fränkische „villa“ gründeten und – wie unser verstorbener Heimatforscher Rektor Maldfeld, Steinau, vermutete – zur Sicherung des alten Höhenweges im Osten (später Weinstraße genannt) auf dem westlich steil abfallenden Ausläufer der Breiten First die fränkische „urbis“ (Alte Burg) errichteten nebst der zugehörigen „curtis“ (befestigter Wirtschaftshof), lässt sich nicht mehr nachweisen.


Nach Dr. Rübel muss die Markensetzung in unserem Raum verhältnismäßig früh erfolgt sein, denn aufgrund eingehender Untersuchungen darf angenommen werden, dass im Gebiet um Frankfurt zunächst lediglich die Hauptstraßen und Knotenpunkte besetzt wurden, die Frankenherrschaft sich aber „den Main und die Kinzig aufwärts schob“, ehe dann die Nebentäler durch Markenregulierung in das fränkische System eingeführt wurden.


So werden damals die königlichen Beamten auch bei uns dem Auftrag des fränkischen Amtsherzogs (dux) nachgekommen sein, indem sie sich entlang unserer Kinzig an die wichtigsten Bachmündungen verteilten und dann „nach den entlegensten Quellen aufwärts zogen, sich durch Zuruf oder Hornsignal verständigten, wenn ihre Quelle (der sogen. Haltepunkt) gefunden war; mit der Axt sodann von dort aus auf sich zu durch den Wald Linien schlugen, Höhenrücken überquerten, in der Ebene Steinhügel häuften, Landwehren zogen, mit besonders geformten Waldhämmern die Lackbäume (Grenzbäume) anschlugen“ und so das Land beiderseits der Kinzig in entsprechender Entfernung in Marken setzten. – Gewiss, die vorstehende Schilderung ist nur eine Annahme, denn urkundliche Belege können für die eben beschriebenen Vorgänge im Gebiet der oberen Kinzig nicht erbracht werden; aber die Tatsache, dass diese Art von Markensetzung sowohl in den Ardennen wie in der Eifel, am Rhein wie am Main, in Westfalen wie im Sachsenland geübt wurde, spricht für diese meine Annahme.

 

 

Den Nachsatz "2. Teil folgt" konnte Engelhardt nicht mehr erfüllen, da er im Jahre 1976 verstarb.

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