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Sterbfritzer Dorfchronik
Sterbfritzer Dorfchronik

Leben und Arbeit in den Nachkriegsjahren

Aus Heinrich Alts Erinnerungen

von Doris Alt 1)

 

Vorwort

 

 

Heinrich Alt erblickte am 27.10.1908 in Sterbfritz als Sohn von Adam Alt aus Sterbfritz und Anna Margarethe geb. Maikranz aus Weichersbach das Licht der Welt. Er war verheiratet mit Maria Alt geb. Glock, sie waren Eltern von drei Kindern, Marlies, Werner und Hildegunde.

 

 

 

 

 

 

 

De 'Alts Heiner'

Heinrich Alt als Mitglied einer Musikkapelle

Heinrich Alt war in mehreren Sterbfritzer Vereinen von Jugend an aktives Mitglied: im Turnverein 1903 Sterbfritz e.V., im Männer-Gesangverein Liederkranz und in der Freiwilligen Feuerwehr Sterbfritz. Für sein Engagement, vorbildliche Leistung und Treue erhielt er sowohl für den Deutschen-Chorgesang, als auch für den Brandschutz und für die Deutsche-Turner-Bewegung hohe Ehrungen. Im Turnverein war er über 30 Jahre im Vorstand tätig und wurde in 1979 Ehrenmitglied des Vereins. Auch im Männer-Gesangverein Liederkranz erhielt er 1983 die Ehrenmitgliedschaft, und in Würdigung dieser langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeiten wurde ihm in 1987 der Ehrenbrief des Landes Hessen verliehen. Als seine Hobbys bezeichnete er seine Vereine. Deren Aktivitäten so aktiv wie möglich und so lange wie möglich zu nutzen, zu fördern und zu unterstützen war ihm ein wichtiges Anliegen.

 

Aus der Aufzeichnung von Heinrich Alt „Meine Arbeitsverhältnisse von 1923 – 1973 Oktober“ wissen wir:


Mit 15 Jahren am 24.5.1923 begann sein Arbeitsleben als Laufjunge und dann als Kaufmännischer Lehrling bei der Firma Karl Stöckicht AG in Sterbfritz. Die Firma ging pleite, Heinrich verlor am 26.6.1925 seine Lehrstelle ohne die Lehre beendet zu haben.

 

Die chaotische Lage des Landes nach der Hyperinflationszeit und der Währungsreform von 1923/24 mit anhaltenden Streiks und einer sich schwach erholenden Wirtschaft, machten es dem 17-jährigen Heinrich Alt schwer eine weitere Lehrstelle zu finden.

Von 1925 bis 1926 konnte er bei Bauer Börner, Ehemann seiner Tante Kath, arbeiten.


1926 begann er dann eine Steinrichterlehre im Basalt-Werk Schlinges-Westerwald-brüche, die er 1928 abschloss. Von 1929 bis 1934 ist er als Steinrichter in verschiedenen Werken der Westerwaldbrüche tätig: Hohenzell, Mittelkalbach, Oberriedenberg, Oberbach und dann bis 1936 in Ramholz 2).

 

Ehemaliges Stellwerk am Friedhof. Vorne links Maurermeister K. Mack

Ab 1937 war Heinrich Alt als Chauffeur 3) bei Kaspar Merx und bei Heinrich Euler beschäftigt.

Von August bis November 1939 arbeitete er als Aushilfe bei Maurermeister Mack und beim Elektroinstallationsbetrieb Adam Melk. 

Da Heinrich den Führerschein Klasse II besaß, wurde er von K. Mack an Karl Knothe, Baustoffhandel empfohlen, wo er bis zum 13.6.1940 Lkw fuhr und dann am 14.6.1940 im 32. Lebensjahr zur Wehrmacht eingezogen wurde.

Anfang der Aufzeichnungen von Heinrich Alt

Heinrich Alt begann seine Aufzeichnungen mit seiner Sicht auf die politische Lage des Landes und ihre Auswirkungen, auch unmittelbar in seinem Heimatort Sterbfritz:

 

Der damalige Reichsleiter Rosenberg mit seiner antijüdischen Idee, wie Propaganda-minister Dr. Göbbels und Reichs-SS-Führer Himmler haben die Judenfrage ständig behandelt. So kam langsam aber sicher der vollkommene Zerfall der jüdischen Geschäftswelt. Dies traf auch das damalige Geschäft "Großhandelsgesellschaft Kallmann Schuster", zu Sterbfritz.  

 

Karl Knothe

Schuster, der die Sache schon frühestens erkannte, setzte daher seinen Buchhalter Karl Knothe, gebürtig aus Rockensüß, Kreis Rothenburg/Fulda, Sohn aus bürgerlichem Hause, als Treuhänder ein, verließ Sterbfritz und wanderte nach Amerika aus. Während Schuster nach einer schweren Krankheit schon früh verstarb, hinterließ er seine Frau und Tochter in Amerika. Sein Sohn siedelte nach Jerusalem über. Karl Knothe war ein sehr geschäftstüchtiger Mann. Zu dem allgemeinen Geschäft gehörte auch die Dachziegel-Fabrik Sannerz.

 

August Both

Durch die damalige Regierung, III. Reich, gewann die Wirtschaft einen sehr beachtlichen Aufstieg. Das Geschäft wurde neu ins Leben gerufen, den Bauarbeitern wurde geholfen, wo es nur ging, und viele der Arbeiter hatten einen guten Verdienst. Somit stieg auch der allgemeine Lebensstandard. Es wurde viel gebaut, an Wohnhäusern, Straßen, Autobahnen und Kasernen. So hatte auch die Firma Karl Knothe einen großen Anteil an dem Aufstieg. 1937 kam dann ein neuer Geschäftsführer, der ein großes Einkaufs- und Verkaufstalent mitbrachte. Es ist der Prokurist August Both.

 

1939, ich arbeitete damals bei der Firma Konrad Mack, Baugeschäft, als Hilfsarbeiter.
Zur Mittagsstunde des 9.11.39 kam Herr Mack, sagte zu mir, ich solle mich bei Herrn Knothe melden. Ich besaß Führerschein Klasse II. Herr Knothe fragte mich, ob ich nicht bei ihm fahren wolle, ich nahm die Stelle an, und so arbeite ich heute (1959) noch da.
Sept.1939 begann der Polenfeldzug. Im Zuge dessen wurden alle gemeldeten Fahrzeuge zum Heeresdienst eingezogen, so auch die Wagen der Firma Knothe.

 

 

 

Ein neuer 5-Tonner Mercedes stand vor der Tür im Hof. „Das ist nun Dein Wagen“ sagte der Chef, so fuhr ich ihn bis zum 12.6.1940 für die Firma Knothe. Am 13.6.1940 musste auch ich in den Krieg einrücken, kam zur Ausbildung, vier Wochen, danach war ich schon in Frankreich.


Wir verloren den Krieg. Deutschland war zu einem großen Scherbenhaufen verwandelt worden. Die westlichen Feinde besetzten Deutschland zur Hälfte, während die Russen den anderen Teil, d.h. von der früheren Reichsgrenze 1937 bis hin nach Thüringen besetzten. Alle Wirtschaft lag am Boden. Unsere Armeen, soweit sie noch am Leben waren, marschierten in die Gefangenenlager. Tausende und Abertausende fanden hier noch den Tod. Ich habe das große Glück gehabt, eben kurz nach Kriegsende (8.5.1945) und kurzer Gefangenschaft, am 20.5.45 nach Hause zu kommen 4).

 

Arbeiten nach dem Krieg

Lkw-Beladung

Am 25.5.45 nahm ich die Arbeit schon wieder auf, nachdem mich Herr Knothe selbst persönlich aufgefordert hat, wieder bei ihm zu arbeiten.

 

So ging es nun los, mit einem Lkw MAN-Holzvergaser. 5) Die Dörfer rings um Sterbfritz von Oberkalbach bis Heubach und in der größeren Umgebung, Hauswurz bis Ober- und Niedermoos hatten schon sehr unter dem Einmarsch der alliierten Truppen gelitten. Es kamen dann aus den Dörfern die Leute zum Arbeiten in die Dachziegelei, um auch ihre Baustoffe zu erarbeiten, denn das Geld hatte auch keinen Wert mehr.

 

Tonrohre-Lagerplatz

Morgens um 4 Uhr ging ich zur Arbeit, machte, dass der Wagen mit Gas versehen wurde, fuhr dann los nach Sparhof und holte dort die Leute von Oberkalbach und Heubach ab nach Sannerz. Abends nach Feierabend, 5 Uhr, gings dann mit beladenem Wagen wieder nach den genannten Ortschaften, bis es meistens fast jeden Tag 9 – 10 Uhr abends wurde. Der Verdienst war vergleichbar wie vor dem Krieg, sodass ich bei Wochenende vielleicht einen Laib Brot dafür kaufen konnte.
Alles was zum Handel nötig war, musste herbei geholt werden. Kalk, Zement, Eisen, Blech und Tonrohr, so war ich laufend unterwegs.

 

Lkw-Zug in Wiesbaden mit Heinrich Hild

Das schlimmste war das Jahr 1947. Eine fürchterliche Hitze herrschte den ganzen Sommer, fast jeden Tag ging es nach Wiesbaden, Zement holen. Zement war sehr gefragt. Dieses möchte ich unseren heutigen Fahrern gerne mal zu lesen geben! Zement lose verladen mit Plane abdecken und auf Baustellen fahren. Die damaligen Straßen waren nicht wie die heute. Hunger und Durst war unser ständiger Begleiter. Meist fuhr Fritz Höfner und ich zusammen. Wir teilten uns die Strecken, jeder machte die Hälfte. Gar manches Mal haben wir bei einem Bauern um ein Stück trockenes Brot angehalten oder um eine Tasse Milch. In den meisten Fällen war unsere Bitte umsonst. Das alles ist den heutigen jungen Fahrern erspart. 

Zuweilen ging es in frühen Morgenstunden, 3 – 4 Uhr, schon ab, abends 9 – 10 Uhr kamen wir heim. Überstunden noch und noch, keine wurde bezahlt. Ich will hier nicht kritisieren, nur dass auch mal die heutige Jugend zu erfahren bekommt, wie es damals um uns stand. Kein Mensch fragte nach uns, ob wir was oder nichts zu essen hatten.

 

Holz-Lkw, Brückenauer Straße

Es kam im Jahr 1948 die Währungsreform, die Mark wurde wieder beständig, der Lohn blieb der gleiche, erst nach und nach bekamen wir etwas mehr.

Ich sehe meinen Chef heute noch vor meinen Augen am Tisch sitzen, hilflos, es war am Tage, da jeder einzelne deutsche Staatsange-hörige 40 DM als Anfangsgeld ausgezahlt bekam. Herr Knothe sagte damals, geht nach Hause und lasst das Ganze erst mal an uns herankommen. Zur damaliger Zeit wurde gerade das Losholz ausgegeben. Ich machte Knothe den Vorschlag, nicht nach Hause zu gehen, sondern den Leuten im Dorf ihr Holz heimzufahren.

So habe ich schon am gleichen Abend die ersten 100 DM auf den Tisch des Herrn Knothe legen können. So wurde es mit jedem Tag besser.

Erst 1953 durften wir, was nach 18 Uhr gearbeitet wurde als Überstunden angeben. Die Arbeit wurde immer mehr, dass Wirtschaftsleben stieg von Jahr zu Jahr, und heute (ca. 1960) hat die Firma Auslieferungslager in Schlüchtern, Ulmbach, Breitenbach und Marjoss.

Nicht alleine die Geschäftsführung hat diesen großen Erfolg für sich zu verbuchen, sondern auch die, die die praktische Arbeit auszuführen haben.

 

Erlebnisse als Kraftfahrer 1947/48 - Unser Auftrag: Teile in der Oberpfalz holen

Da auch gewissenlose Gauner und Schieber ihr Geschäft betrieben, ist dies auch an uns nicht spurlos vorüber gegangen. Eines schönen Tages erhielten wir den Befehl von der Fahrbereitschaft in Schlüchtern, nach Hof in Bayern zu fahren, um halbfertige Fabrikate abzuholen:

Und zwar bei der Firma Witt Weiden Oberpfalz, die dort eine eigene Fabrik hatte. Melden sollten wir uns bei einem Herrn Müller.
Holz für unseren Holzvergaser und Verpflegung sollten wir von den Amis bekommen. Mir war die Sache nicht ganz geheuer, und ich wehrte mich, ohne ordentliche Papiere nach dort zu fahren. So bekamen wir einen Schrieb von Schlüchtern in die Hände mit folgendem Wortlaut:
„Die Fahrer Hch. Hild u. Hch. Alt fahren von Schlüchtern nach Hof, um halbfertiges Material bei der Firma Witt Weiden abzuholen.“

 

Wagen 1

Als einziges Fahrzeug das damals im Kreis Schlüchtern in Betrieb war, mussten wir uns notgedrungen auf den Weg machen. So fuhren wir damals los, es war an einem Samstagmorgen. Den Wagen voll Kleinholz, und als Mitreisende war dabei Kath. Herbert (deren Mann dort oben im Lazarett war) und deren Bruder Joh. Schwarz.
Unser Weg führte uns über Bamberg die Autobahn hoch nach Hof. Gegen 10 Uhr Abends, wir mussten von der Straße, mussten wir übernachten. Sonntagmorgen ging es weiter, bis wir dann Mittag an angegebener Stelle ankamen. Wie vorgeschrieben, meldeten wir uns. Leider bekamen wir den Bescheid, die Ware ist beschlagnahmt bei den Amis. „Bitte melden Sie sich bei der Ortskommandantur“. Dies war erst am folgenden Tag möglich. Also wieder eine Nacht um die Ohren schlagen. Mir war bekannt, dass in der Nähe ein Fräulein Meier wohnte, die bei Herrn August Glock war, und dem als Haushälterin half 6). Kurz und gut, ich wusste von zu Hause aus, dass Frl. Meier an der Autobahn wohnen musste. Wir fuhren eine kleine Straße zurück und haben wirklich schon beim ersten Gehöft Glück gehabt. Fräulein Maier erkannte uns sofort, nahm uns freundlichst auf. Wir wurden gut bewirtet, und ein anständiges Bett war uns für diese Nacht gesichert.

 

Ortskommandantur:

Am Morgen, was war nun zu machen? Wieder umkehren, leer nach Hause fahren? Das war uns nun doch ein wenig zu viel. Also gingen wir ein Abenteuer ein. Wir fuhren zur Kommandantur, meldeten uns.

 

Hch. Alt, Knothe Lagerplatz, Zapfsäule

Zuerst wurden wir von deutschen Angestellten verhört, welche wohl die Schlimmsten von all denen waren. Ich trug meine Lederjacke die ein geflochtenes Halsstück hatte, allein schon wegen diesem Bekleidungsstück machte man mir Schwierigkeiten. Man muss mich verhaften, sagte man mir, dies sei eine Jacke von der SS. Ich musste mich verteidigen; Sagte den Leuten klipp und klar, dass ich diese Jacke schon hatte, wo man noch nicht mal SS gekannt hätte, ich mir die von der Firma Simon und Würfel in Schlüchtern für 55 Reichsmark gekauft habe.
 

Ein amerikanischer Leutnant der fließend deutsch sprach, brachte dann die Sache ins rollen. Diesem brachten wir unser Anliegen vor. Wonach dann besagter Leutnant mit seinem Vorgesetzten Hauptmann Melzer die Geschichte auseinander legte, hieß es auf einmal: „Bitte, einer fährt mit mir und der andere fährt den Lastwagen, bitte folgen“ So ging's dann etliche Straßen weiter bis zu einem Haus, hier stand ein Schild ( C7C) Beide standen wir nun vor mehreren Offizieren und mussten Rede und Antwort geben.

Man fragte, woher, warum und was wir eigentlich haben wollten. Kurz und bündig habe ich gesprochen: „Meine Herren, wir haben einen Auftrag!“, ich gab den Zettel der Fahrbereitschaft Schlüchtern in die Hände der Offiziere. Gab aber auch an, dass weder wir Beide noch unser Chef mit dieser Sache etwas zu tun haben. Wir seien lediglich auf Befehl der Fahrbereitschaft Schlüchtern in dieses Abenteuer rein geraten. Also gut, nach längerem Hin und Her, sagte man uns, dass wir unschuldig seien, müssten aber einige Tage hier bleiben. Die Herren die uns abgesandt hätten, würden uns schon suchen wenn wir so lange ausblieben.

Unser Wagen wurde auf einen Abstellplatz der Amerikaner gefahren, verschlossen, und ein Posten wurde aufgestellt. Mit Sack und Pack wurden wir in einen Zug verladen und zur deutschen Polizei gefahren.

Der Leutnant übergab uns der Polizei mit den Worten: „Diese beiden Herren hier bekommen ein anständiges Quartier und Verpflegung für erst mal eine Woche“

Alsdann brachte man uns in eine Schule in der eine Menge Flüchtlinge untergebracht waren. Wir bekamen jeder eine Schlafstelle angewiesen und Verpflegungsmarken. Freier Lauf war uns zugesichert. So verblieben wir von Montag bis Donnerstag, ohne das sich irgendetwas geändert hatte. Donnerstagmorgen, mir wurde es allmählich zu dumm, ich sagte zu meinem Kameraden Hild, „Wir werden versuchen, frei zu kommen. Ich mache den Herren einen Vorschlag“ Also auf ging´s zu dem Haus (C7C). Als wir gerade die Treppe hoch gingen, kam ein junger Leutnant von oben herunter. Glück muss der Mensch haben, und das hatten wir in diesem jungen Leutnant, er musste uns helfen! Wir wandten uns an ihn mit der Bitte, mal mit den Herren zu sprechen; „Wir wollen gerne leer heimfahren, oder über Fürth fahren und landwirtschaftliche Maschinen laden“. Ich appellierte, man müsse doch an unsere Angehörigen denken, wir seien erst kurz vom Krieg nach Hause gekommen und die nehmen bestimmt an, wir seien den Russen in die Hände gefallen. OK sagte unser Leutnant, kommt morgen wieder.

Am nächsten Tag, mit klopfenden Herzen, wieder nach (C7C), wir durften fahren, bekamen einen Fahrbefehl von der dortigen Kommandantur über Fürth nach Hause zu fahren. Mit diesem Befehl erhielten wir noch unseren Wagen. Der abgestellte Posten war froh uns den Wagen übergeben zu dürfen.

Zuerst musste einmal richtig Gas gemacht werden, und dann ging's los Richtung Fürth. Gegen Abend kamen wir an, meldeten uns dort bei der angegebenen Maschinenfabrik, sollten aber auch hier wieder 3 Tage warten. Da beschlossen wir sofort heimzufahren. Am nächsten Morgen zogen wir los, über Würzburg nach Hause, bis Burgsinn, hier war unser Vorrat an Tankholz zu Ende.

 

Als gute Bekannte der Firma Siebenlist holten wir uns dort einen Tank voll Holz, wonach wir glücklich am Nachmittag in Sterbfritz ankamen. Die ganze Fahrt war umsonst und eine Woche unterwegs, und doch waren alle froh, dass wir wieder glücklich zu Hause waren.

 

Auftrag Medikamente in Magdeburg abholen

Besatzungszonen 1946

Wenige Tage später, wieder so einen Auftrag von der Firma Andre Noris Zahn Schlüchtern.

Wir sollten in Magdeburg Medikamente abholen. Wieder ging´s mit unbestimmten gemischten Gefühlen auf die Reise. Von Schlüchtern bis Hersfeld mussten wir uns einige Male einer Kontrolle amerikanischer Posten unterziehen, bis wir in die englisch besetzte Zone kamen. Hier fuhren wir, ohne angehalten zu werden bis nach Magdeburg. Unser Begleiter war der z. Zt. in Sterbfritz wohnhafte Dr. Kallbo 7) der in Magdeburg einige Häuser besaß, er wollte dort eine Besichtigung derselben vornehmen und feststellen, ob noch alles in Ordnung war. Auch einige Flüchtlinge fuhren von Schlüchtern aus mit. Schon viele Kilometer vor Magdeburg begegneten uns englische Truppenverbände, die aus Magdeburg aus marschierten. Keine Kontrolle, alles lief glatt ab. Als wir die ersten Straßen Magdeburgs passierten, konnten wir sehen, dass überall in allen Straßen Transparente aufgehängt waren mit Aufrufen <Wir begrüßen die rote Armee> oder: <Bauern, Bürger u. Arbeiter schaffen ein neues Deutschland>.


Es wurde uns gesagt, dass in kommender Nacht die Russen über die Elbe setzen werden und die westliche Stadt besetzen würden. In Eile suchen wir die uns angegebene Firma auf, deren Fabrik direkt an der Elbe stand. Schnellstens wurde verladen, und ab ging die Post. Lauter kleine Päckchen, was es war, wussten wir nicht. Erst unterwegs, als wir uns sicher fühlten, wurde nachgesehen, was wir eigentlich für eine Ladung hatten. Es war ein ganzer Lastzug Hustensaft. Auch unseren Mitfahrern wurde auf einmal klar, was in Magdeburg los war und so wollten wieder einige von ihnen mitfahren. Angebote von goldenen Uhren und dergleichen haben wir erhalten. Leider konnten wir auch nicht einen einzigen Menschen, wegen der hohen Ladung, mitnehmen. So brachten wir dann diese Ladung glücklich nach Schlüchtern. Es war Samstag, als wir diese Fracht abluden, und zwar in der Klosterturnhalle in Schlüchtern. Als besondere Vergütung bekamen wir jeder einen Kamm und eine Tube Creme.

 

3. Fahrt - Trier

Wieder wurden wir das Opfer einer so langen Reise mit dem Holzvergaser. Wieder trat ein solcher Bengel an uns heran. Diesmal galt es, angeblich für die Amerikaner Wein zu holen. Unser Begleiter bei dieser Tour war ein damals in Sterbfritz bekannter Mann. Zuerst ging´s nach Hanau morgens früh. Am Schloß Wilhelmsbad mussten wir warten, bis unser Begleitmann alles in Ordnung hatte. Es war schon Mittag geworden, als dieser Herr endlich um 12 Uhr erschien. Alsdann fuhren wir nach Hanau und in eine in Kahl gelegene Wirtschaft und luden dort Fässer und Kisten. Dann fuhren wir los, in einer Tour ohne Pause durch, bis nach Trier in die Berge. Nachts 12 oder 1 Uhr kamen wir an, wieder eine Wirtschaft, die dem Bruder unseres Begleiters gehörte. Eine gute Aufnahme, gute Verpflegung wurde uns zuteil. Nächsten Morgen wurde verladen. Es ging von einem zum anderen Hof der dortigen Weinbauern. 4 oder 5 Fässer á 1000 ltr. bekamen wir aufgeladen. So machten wir uns auf den Heimweg. Alles ging gut, bis wir die Hausberghöllenstraße hinab fuhren. Da auf einmal versagte unsere Bremse, eine Leitung zum Luftmanometer war geplatzt. Reparatur unterwegs unmöglich, es gab damals noch keine Werkstätten. Also schraubten wir die Leitung ab, versahen die Überwurfmutter mit einem Stück Korkstopfen, und so ging´s weiter in verlangsamten Tempo. Die Fahrt klappte ohne weitere Umstände. Abgeladen wurde in Offenbach, dann in Niederrodenbach, Schlüchtern, zuletzt in Schwarzenfels. Hier gab es für uns noch eine tolle Geschichte. Als das letzte Fass gut runtergebracht war, machten wir ein böses Trinkgelage und hatten unsere liebe Not wieder gut nach Sterbfritz zu kommen.

 

Noch eine tolle Geschichte, muss ich auch auf Papier bringen.

 

Es war im Nachsommer gleich nach Kriegsende (Sept./Okt.1945), ein Tag voller grauer Wolken und Regen. Pferdehändler, die z. Zt. aus Frankfurt a/M nach Mernes marschiert waren, sprachen bei unserer Firma vor, ob wir nicht einige Reitpferde der deutschen Armee im Taunus abholen möchten. Ein Viehtransportanhänger der Kühlmann´schen Verwaltung von Ramholz wurde gelehnt, und ab ging es Richtung Taunus. Ich saß den ganzen Tag über am Steuer, es ging alles gut. Einige Ortschaften im Taunus suchten wir auf. Ein Herr, dieser Pferdehändler, begleitete uns. 4-5 Bauern wurden aufgesucht und jeweils 1 Pferd aufgeladen. Als wir dann unsere kostbare Fracht glücklich verladen hatten, ging die Heimreise an. Kollege Hild setzte sich ans Steuer, der dicke Mann saß zwischen uns. Es ging stark auf den Abend zu, und um 10 Uhr mussten wir von der Straße sein. Der dicke Mann schimpfte und trieb unseren Hild an, nun schneller zu fahren. Wir fuhren die Strecke Mainz, Höchst, Frankfurt. Als wir in Höchst das Rondell befuhren, sah ich im Spiegel unseren Anhänger gerade, wie er sich umlegte. Ein Schrei ! Unser Anhänger kippte, kurzes Brausen, und es war passiert, der Anhänger lag auf der Seite, die Pferde waren heil davon gekommen, bis auf eines, welches sich in den Blanken eine schöne Verletzung zugezogen hatte. Unser Pferdehändler tobte, die Pferde liefen davon. Amerikanische Soldaten eilten zur Hilfe, der Anhänger wurde wieder auf die Räder gestellt, war aber zum weiteren Transport nicht mehr geeignet. Es blieb dem Dicken nichts anderes übrig, als drei Pferde mit Hilfe der Amerikaner einzufangen und in Sicherheit zu bringen. Er blieb auch selbst da. Wir fuhren weiter nach Frankfurt und übernachteten dort in der Sodener Straße bei einer Verwandten von mir 8). So mussten wir dann am nächsten Tag umkehren, wieder um ein Erlebnis reicher. Soviel mir bekannt ist, sind die beiden Herren Pferdehändler später einem Autounfall zum Opfer gefallen.


Ende der Aufzeichnungen von Heinrich Alt


Eine weitere Erinnerung an das Arbeitsleben von Heinrich Alt hat auch Elfriede Sauer, geb. Strott, geschildert (siehe ihren Beitrag 3.5.2 -Nie wieder Krieg). Elfriede ist Tochter von Heinrich Strott, der, wie Heinrich Alt auch, nach Rückkehr aus dem Krieg bei Knothe arbeitete und für die Transporte mit Pferd und Wagen zuständig war.
Elfriede erinnert sich an die Lieferung der neuen Kirchenglocken 1962. Die Glocken wurden mit dem Lkw der Firma Knothe, der Lkw-Fahrer war Heinrich Alt, angeliefert und am Knothe-Lagerplatz in Sterbfritz umgeladen.
Pfarrer Lauer testet den Klang der Glocken beim Umladen auf das, von ihrem Vater geführten Pferdegespann. Wagen und Glocken wurden von den Dorffrauen geschmückt, Pfarrer Lauer segnete sie und Heinrich Strott fuhr sie in Begleitung der Feuerwehr durchs Dorf bis zur Kirche.

 

Heinrich Alt links
Geschmückte Glocken am Lagerplatz Fa. Knothe

 

 

In den Jahren nach dem Krieg wurde von Firma Knothe sehr viel Brennstoffe verkauft und ausgeliefert. Heinrich Strott mit dem Pferdewagen übernahm die umliegenden Ortschaften, und unter anderem Heinrich Alt mit dem, bis zu drei Personen besetzten Lkw, die weiteren Lieferungen. Die drei Personen wurden gebraucht, weil diese schwere Arbeit ohne Hilfsmittel an schwer zugängliche Anlieferorte gebracht werden mussten.

 

Knothe Schlüchtern Elmer Landstraße

 

Als in 1956 das Baustofflager in Schlüchtern Elmer Landstraße 1 öffnete, begannen die Arbeitstage von Heinrich Alt wohl am Lagerplatz in Sterbfritz, von dort aus wurde dann aber sehr oft mit den Lkw´s das Lager in Schlüchtern angefahren, geladen und Baustoffe im Schlüchterner Umland ausgefahren.


 

 

Lagerplatz Sterbfritz, VW

In 1966 erwarb Heinrich Alt den roten VW Käfer der Firma Knothe, und so fuhr er fortan mit diesem Wagen morgens zur Arbeit entweder zum Lagerplatz Sterbfritz, oder direkt nach Schlüchtern.

Bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand war er sowohl mit Warenauslieferung per Lkw, als auch auf dem Lagerplatz Schlüchtern mit der Warenannahme, Lagerung und Ausgabe an Selbstabholer beschäftigt. Er war auch unter dem Utzname „Kapo“ (von seiner Zeit beim Militär) bekannt.

 

Arbeitgeber von Heinrich Alt war seit November 1939 bis Oktober 1973 die Firma Karl Knothe, das waren 34 Jahre Verbundenheit, selbst ohne die Kriegszeit waren es 29 Jahre die er im Dienste der Firma Knothe stand. In eine so lange Zeit fallen Geburtstags- und Arbeitsjubiläen, und aufgrund der gewachsenen persönlichen Bindung von Chef zu Mitarbeiter, kam der Chef auch schon mal persönlich zum gratulieren. Karl Knothe verstarb in 1981 und Heinrich Alt verstarb in 1990. Das Wichtigste in beider Leben war, neben der Familie und den Hobbys,


die Firma Karl Knothe !

 

Karl Knothe Baustoffe, Brückenauer Straße
Knothe Lagerplatz Sterbfritz

Quellen:

 

  • 9 Seiten handschriftlicher Text von Heinrich Alt
  • Meine Arbeitsverhältnisse von 1923 – 1973 Oktober persönliche Aufzeichnung von Heinrich Alt


Anmerkungen: 

 

  1. Bei Sichtung von Dokumenten fand Heinrich Alts Schwiegertochter Doris Alt die handschriftlichen Aufzeichnungen über seine Arbeit als Lkw-Fahrer nach dem 2. Weltkrieg. Es ist zu vermuten, dass er diese Dokumentation Ende der 50er oder Anfang der 60er Jahre geschrieben hat, weil sie handgeschrieben sind und er spätere Zeitdokumente mit der Schreibmaschine geschrieben hat.
    Kürzel und unlesbare Worte in der Niederschrift wurden von den Bearbeitern Doris Alt und Karl Roth sinngemäß gedeutet. Von Ernst Müller-Marschhausen wurden nur ganz wenige Korrekturen vorgenommen, um die Authentizität der Schreib- und Ausdrucksweise zu erhalten.
     
  2. Bescheinigung LVA -Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde Vollmerz mit Ramholz und Hinkelhof –mit Hakenkreuzadler-.
     
  3. Berufsbezeichnung „Chauffeur“ laut den Bescheinigungen LVA Hessen-Nassau (Stempel –Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde Sterbfritz-)
     
  4. Certificate of Discharge Personal Particulars Alt Heinrich Kraftfahrer (Date of Discharge 18 the May 1945)
     
  5. Holzgas wurde unter anderem dazu benutzt, Verbrennungsmotoren von Kraftfahrzeugen anzutreiben. Die Generatoren wurden außen an die Karosserie gebaut oder als Anhänger mitgeführt. Die technische Anlage dazu, der Holzvergaser, wurde mit Brennholz befüllt und funktionierte als Festbettvergaser. Durch Erhitzen entwich aus dem Holz das brennbare Gasgemisch (Holzgas). Dabei konnte etwa ein Liter Benzin durch die aus 3 kg Holz gewonnene Gasmenge ersetzt werden.
     
  6. Fräulein Meier war als Haushälterin im Hause von August Glock, sie war ortsbekannt, weil sich sonst niemand, bzw. wenige Haushalte das leisten konnte. Frl. Meier ist in ihre Heimat zurück, weil sie das Alter hatte, dass muss 1946-48 gewesen sein, lt Vermutung von Johanna Gärtner
     
  7. Dr. Kallbo: lt. Annemarie Döring Chemiker, hat er im Haus Brückenauer Str. 32 Drogerie Redmer, dann alte KSK gewohnt
     
  8. lt. Jürgen Böhmer, können die Verwandten nur Anna und Joh. Georg (Schuasch) Alt gewesen sein, denn die haben im Gallusviertel gewohnt.
     

 

Bildnachweise:

   

Bild 1: Heinrich Alt, Bildrechte Fam. W. Alt
Bild 2:

Musikkapelle mit Heinrich Alt, Trommel; Bildrechte Fam. W. Alt

Bild 3:

Ehemaliges Stellwerk am Friedhof. Vorne links Maurermeister K.Mack;

Bildrechte Bernd Döring

Bild 4:

Karl Knothe, Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz (Fotozuschnitt)

Bild 5: August Both, Prokurist Fa. Karl Knothe; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 6:

1984 Zeitung anlässlich Firmenjubiläum Knothe Baustoffe - 50 Jahre im Dienst der Bauwirtschaft

Bild 7: Beladung Lkw auf Knothe Lagerplatz in Sterbfritz; Bildrechte Fam. W. Alt
Bild 8: Tonrohrlagerung auf Lagerplatz Knothe Sterbfritz; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 9: Lkw Zug in Wiesbaden mit Heinrich Hild am Bild 1.v.li.; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 10: Holz-Lkw in der Brückenauer Straße 11; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 11: Lkw mit Aufschrift Wagen 1 auf Lagerplatz Knothe Sterbfritz; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 12: Heinrich Alt an Zapfsäule auf Knothe Lagerplatz in Sterbfritz; Bildrechte Fam. W. Alt
Bild 13:

Besatzungszonen in Deutschland 1946 aus Internet

Bild 14:

Anlieferung Glocken 1962, Heinrich Alt links im Bild am Lagerplatz Knothe Sterbfritz; Bildrechte Margreth Resch Hünfeld (Schwester Elfriede Sauer)

Bild 15: 1962 Geschmückte Glocken werden zur Kirche gefahren; Bildrechte Marg.Resch Hünfeld (Schw. Elfriede Sauer)
Bild 16: Luftaufnahme Lagerplatz Firma Karl Knothe Schlüchtern, Elmer Landstraße 1; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 17: Lagerplatz Karl Knothe in Sterbfritz mit VW Käfer den Heinrich Alt kaufte; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 18: Luftaufnahme Gelände Karl Knothe Brückenauer Straße 11; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz
Bild 19: Luftaufnahme Gelände Lagerplatz Karl Knothe Sterbfritz; Bildrechte Fam. Kimpel, Sterbfritz

 

 

 

erstellt Mai 2021

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