von Hans Engelhardt, Sterbfritz
erschienen im Bergwinkel-Bote 1968
Wie in den wenigsten Fällen heutzutage noch die Gründung eines Ortes an Hand von
Urkunden nachzuweisen ist, so scheint es in unseren Tagen ebenso schwer, genauere
Angaben über den Gründer selbst zu erhalten. Bei den bereits erwähnten zweigliedrigen und den aus ihnen entstanden verkürzten genetivischen Ortsnamen ist
es vielen Fällen leicht, wenigstens den Namen des Gründers festzustellen; es sei denn, der verkürzte Ortsname wurde im Laufe der Jahrhunderte abgefälscht. Eine solche Änderung
(Verballhornung) liegt im Falle unseres Ortsnamens vor, denn „die heutige Form des Namens Sterbfritz ist entstanden aus der althochdeutschen Form Stracfrideshusum, eine Zusammensetzung
des Personennamens Starcfrid mit hus = Haus“. 8)
Dieser Gründername Starcfrid wird in den Fuldaer Urkunden mehrfach erwähnt. Erstmals erscheint er im Jahre 795 unter den Zeugen einer Schenkung zu Herifatorphe im östlichen Grabfeldgau. 9) Ungefähr ein Jahr später tritt derselbe Name dort wieder auf: Starcfrid und zwei Nachbarn tauschen mit dem Abt Paugolf Ländereien im gleichen Ort. Herifatorph (verkürzt auch Herifa genannt) ist das heutige Herpf, an dem gleichnamigen Flüsschen zwischen der Hohen Geba (östlicher Ausläufer der Rhön) und der Stadt Meiningen gelegen. Wenn Dobenecker und auch Dronke 10) diesen Ort mit der alten Namensform Herifatorph belegen, wollen sie das Dorf Herifa von dem Fluß und der Mark gleichen Namens unterscheiden, in deren Bereich – und das ist für uns Sterbfritzer besonders interessant – ein zweites Starcfrideshuson lag und zwar direkt am Fuße der Hohen Geba, nur 3 km entfernt von dem alten Herifa. Heute heißt unser ehemaliger Zwillingsort Stepfershausen, wodurch unser Ortsname Sterbfritz wirklich einmalig geblieben ist.
In der Folgezeit ist der Name Starcfrid noch wiederholt unter den Zeugen bei Schenkungen zu finden und zwar:
Auch Rudolf Koch führt die meisten dieser Daten in seinem Manuskript an. 19) Er bedient sich dabei der in dem Eckartschen Geschichtswerk vorhandenen Hinweise auf die „Traditiones et antiquitates Fuldenses“ des Pistorius und auf ein Diplom (ohne Datum) Kaiser Ludwigs des Frommen (814 bis 840) , in dem drei Frauen von vornehmer Herkunft (nobilissimis ortae natalibus) erwähnt werden: Helburc, Aldigart (Hildegard) und Filomnot, die ausgedehnte Güter in Ostfranken besaßen. R. Koch fährt dann fort: „Eine von diesen drei Schwestern, Aldigart (Hildegard), hatte einen einzigen Sohn Stercfridus, der als ein tapferer und kriegerischer Mann (vir strenuus et bellicosus) bezeichnet wird. Das Diplom Kaiser Ludwigs führt die Schenkungen auf, die die drei Schwestern und Stercfridus dem Kloster Neustadt im Spessart machten.“
Da diesen etwas fragmentarischen Angaben das Datum fehlt, versuchte ich, genauere
Auskunft aus dem Pfarreiarchiv zu Neustadt bei Lohr am Main zu erhalten. Dem dortigen Klosterbuch der Diözese Würzburg, I. Band, 20) ist der nachstehende Abschnitt entnommen:
„Vermögen (des Benediktinerklosters Neustadt/Main. Gegründet im Jahre 769) Das Stiftungsgut vergrößerte sich seinem Werte nach durch die Benediktinerindustrie; bald auch
seinem Umfang nach durch bemerkenswerte Schenkung der hl. Gertraud sowie durch die glänzende Ausstattung, welche durch die drei Matronen und Schwestern Villmuth (Filomnot),
Hilburg (Helburc) und Hildegard (Aldigart), die der Geschichtsschreiber Fries für Gräfinnen oder Herzoginnen von Franken hält, dem
Kloster zukam. Am 27. August 823 trat nämlich Hildegards Sohn Starcfrid in das Kloster als Mönch ein. Er erhielt verschiedene Kleinodien sowie reichlichen Güterbesitz an der
(Fränkischen) Saale und namentlich bei Schweinfurt, woselbst die Orte
Uechtelshausen, Ebertshausen, Obbach (früher „Hobbach“), Zell (zwei Orte gleichen Namens), Altenmünster und Kronungen ihm gehörten. So hatte von damaliger Zeit an das Kloster einen
wichtigen Besitz an den fruchtbaren Schweinfurter Gaue.“
In dem Kapitel „Zelatrice, Seelsorge und Seelsorgestationen“ des Klosterbuches werden außerdem noch die Ortschaften Egelzhausen (Egenhausen), Insingen (zwischen Obbach und Zell bei
Schweinfurt) und Kützberg – als im Schenkungsbrief Starcfrids genannt – angeführt.
R. Koch nimmt an, dass der Eintritt Starcfrids in Kloster schon im Jahre 819 erfolgt sei, denn er schließt seine diesbezüglichen Ausführungen mit den Worten:
„Dieser Starcfrid, der im Jahre 795 zum erstenmal und 819 zum letzenmal erwähnt wird, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Gründer von Sterbfritz gewesen. . . Er war ein reicher
und angesehener Mann, vielleicht ein fränkischer Graf, dem von Karl dem Großen die Verwaltung eines Gaues übertragen worden ist. Seine Güter lagen weit verstreut, wie das damals
allgemein der Fall war. Unter den Orten, die er durch Rodung in den Wäldern des Spessarts und der Rhön neu gegründet hat, ist auch Starcfrideshuson gewesen. Möglich, dass er hier selbst
gewohnt hat, während er seine anderen Besitzungen durch Verwalter bearbeiten ließ. Gerade, dass dieses Gut nach ihm benannt ist, spricht für diese Annahme. Später hat er sich aus dem
Weltleben zurückgezogen als Mönch im Kloster Neustadt . . . Ich glaube, dass er bis zu seinem Tode im Kloster Neustadt verborgen geblieben ist.“
Zu diesem abschließenden Resümee ist folgendes zu sagen:
Danach würde also die Gründung unseres Dorfes in die fränkische Siedlungsperiode (500 bis 900) fallen, in der in riesigen Königsforsten und in den entlegenen Waldgebieten zahlreiche Einzelhöfe und Dorfsiedlungen angelegt wurden. Ein besonders markantes Ergebnis aber hat diesen großangelegten Siedlungsplan gerade in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts stark beeinflusst und vorangetrieben; die langen Sachsenkriege Karls des Großen mit der wiederholten Umsiedlung großer Teile des Sachsenvolkes.
Diese Tatsache und einige auffallende Umstände veranlassen mich, im nächsten Teil meiner Ausführungen die sicher viele Bewohner – besonders der östlichen Hälfte unseres Kreises
– interessierende Frage aufwerfen:
3. „War Starcfrideshuson eine Sachsensiedlung?“
8) Rudolf Koch, Manuskript, S. 1
9) Dobendecker, Reg. Dipl., Bd. I; Nr. 59, Hess. Landesbibl. Fulda
10) Dronke, Cod. Dipl. Fuld.; Nr. 124, Hess. Landesbibl. Fulda
11) Dronke, a. a. O., Nr. 340
12) Schannat, Corp. Trad. Fuld.; Nr. 253, Hess. Landesbibl. Fulda
13) Dronke, a. a. O., Nr. 290
14) Schannat, a. a. O., Nr. 267
15) Dronke, a. a. O., Nr. 308
16) Dronke, a. a. O., Nr. 379
17) Reimer, Urkundenbuch pp., I, 26
18) Dronke, a. a. O., Nr. 586
19) Rudolf Koch, a. a. O., S. 4, 6, 7
20) Georg Link, Pfarrer in Neustadt/Main Geschichte der Benediktinerklöster – Würzburg 1873.