Meine Mutter war berufstätig, und so ergab es sich, untriebig wie ich war, dass ich täglich im nächsten Umkreis meine Beschäftigung suchte und dir Runde in den angrenzenden Häusern und Gehöften machte.
Keine Tür war zu dieser abgeschlossen. Man konnte zu jeder Zeit, ohne anzuklopfen, erscheinen. Das war gut so.
Heiteres und Ernstes im Rückblick.
Meine Heimat als Kind erlebt!
Meine persönlichen Aufzeichnungen und Gedanken mögen Bilder entstehen lassen die jeder nachvollziehen kann und bei den Zeitzeugen Erinnerungen wecken.
Sie sind ortsgefärbt und spiegeln das damalige Lebensgefühl wieder.
Für die, die meine Sprache verstehen, geben sie Aufschluss über die damalige Alltagskultur.
Meine Erinnerungen sind geprägt vom Ende der Kriegsjahre bis in meine Schulzeit .
Kindliche Unbekümmertheit, feste Bindung an die Familie und Nachbarschaft sind bezeichnend für das damalige Leben.
Egal wo man lebt, welch gute Freundschaften geschlossen werden, wieviel Bekannte man besitzt, die alte Vertrautheit stellt sich nie wieder ein.
Es muss wohl an der gemeinsam verbrachten Kindheit, der Schulzeit liegen. Ich denke, sie hat das Seelenklima geschaffen das ausströmt, sobald man mit den alten Gefährten zusammentrifft.
Woher kommt der Hausname Künjes: „Weil die Mutter von Adam Simon Kunigunde hieß“.
In Sterbfritz fiel während des ganzen Krieges nur eine Bombe.
"Gott sei Dank!"
Niemand ist zu Schaden gekommen und niemand wurde verletzt.
Es sollte, wie ich später erfahren habe, die Bahnlinie, die durch unseren Ort führte, getroffen werden, um den Schienenverkehr von Kassel über Fulda, Elm und Sterbfritz nach Würzburg zu unterbinden.
Vor dem damaligen Kindergarten ging die Bombe herunter und hinterließ ein großes Loch, an dem wir Kinder uns dann tagelang trafen und hineinschauten.
In der Nacht, als die Bombe fiel, erinnerte sich meine Mutter, dass mein Vater bei seinem letzten Heimaturlaub ihr dringend geraten hatte, dass sie, sollte es zu einem Bombenalarm kommen, auf alle Fälle in unseren Keller gehen müsse, da alle Nachbarhäuser aus Lehm gebaut waren und auch solche Decken hatten. Nur unser Häuschen hatte eine Stahlbetondecke.
Als es Fliegeralarm gab, wir den "Eisernen Gustav" hörten, war meine Mutter schrecklich aufgeregt. Im Bewusstsein, hier allein mit dem Kind zu sein, zögerte und zögerte sie, ob sie nicht doch noch schnell zu Auffarths, unseren Nachbarn eilen sollte, denn diese waren zu mehreren Leuten.
So entschloss sie sich, mit mir und der braunen Tasche, in der die wichtigsten Papiere waren, doch noch um die Ecke zu Auffarths zu laufen.
Das Dröhnen des "Eisernen Gustavs" und das Sirenengeheul begleiteten uns auf dem kurzen Weg in die Nachbarschaft.
Als wir an der Hausecke angekommen waren, fiel die Bombe, und wir beide wurden von dem Luftdruck in dem dort zehn Zentimeter hoch liegenden Dreck und Schlamm geworfen.
Ich mit dem Gesicht mitten hinein.
Meine Mutter rappelte sich zuerst wieder hoch, zerrte und zog an mir und schrie mich an. Benommen kam ich ihrem Wunsch nach, konnte aber auf ihre Fragen nicht antworten.
Ich war stumm!
Heute weiß ich nicht mehr, war es der Schock, der mir im Nacken saß, oder der Dreck, der meinen ganzen Mund ausfüllte, der mich sprachlos machte.
"Mein Kind redet nicht mehr, mein Kind redet nicht mehr!" schrie sie und hämmerte mit aller Kraft an Auffahrts Kellertür.
"Macht auf! Macht auf!"
Die Kellertür öffnete sich und nach kurzer Betrachtung entfernte man den Dreck aus meinem Mund und schüttelte mich kräftig. Das brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück, und ich gab Antwort.
Wie groß die Erleichterung meiner Mutter war, kann man sich denken. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, und sie weinte leise vor sich hin.
Wie schon erwähnt liegt Sterbfritz an der Eisenbahnstrecke Hamburg-Kassel-Fulda-Würzburg.
Diese Eisenbahnlinie war während des Krieges oft Ziel von Bombenangriffen, um den Nachschub für die Truppen zu unterbinden.
Aus diesen Gründen standen oft Versorgungszüge bei Alarm in den Tunnels, von denen es in unserer Umgebung mehrere gibt: Distelrasen, Ebersberg, Brandenstein und Mottgerser Tunnel. Diese Züge waren, soviel ich weiß, manchmal mit Stoffen und auch mit Kohlen beladen.
Aus der Not heraus versorgte man sich dann gegebenenfalls mit dem, was man so gebrauchen konnte.
Gebrauchen konnte man fast alles, aber nicht jeder hatte die notwendigen Informationen. So kam es, dass es Leute gab, die mal Stoffe und auch Kohlen hatten.
Nun war aber auch bekannt, dass so gehandelt wurde, und zur Abschreckung malte man in den sich mitten im Dorf befindlichen Tunnel (Bahnunterführung) einen "Kohlenklau": ein schwarzer großer Mann, vornübergebeugt mit drohender Gebärde und einem großen Sack auf dem Rücken.
Vor diesem hatte ich mehr Respekt als vor dem Nikolaus.
Von unserem Haus aus gesehen befand sich der "Kohlenklau" am anderen Ende des Tunnels, wo es auch immer etwas dunkel war.
Mit klopfendem Herzen näherte ich mich, um dann, wenn ich ungefähr in der Mitte war, so schnell wegzulaufen, wie ich nur konnte.
Unheimlich!
Als ich dann wieder draußen war, war ich froh, mit dem Leben davongekommen zu sein.
Nach dem Krieg war mein Vater zurückgekommen, und meine Eltern arbeiteten in ihrem kleinen Friseursalon.
Für mich war die Welt fast in Ordnung, wenn ich am Sonntagmorgen mit meinem Vater spazieren ging. Ich glaube zum alten Sportplatz.
Nun mussten wir natürlich durch den Tunnel. Artig fasste ich meinen Vater kurz vor dem Tunnel an der Hand, und wir gingen hindurch.
In der Mitte angekommen, fing ich fürchterlich an zu zucken und zerren und wollte so schnell wie möglich an dem "Kohlenklau" vorbei.
Mein Vater wunderte sich und zog die Stirn kraus.
"Was ist denn? Warum zerrst du so?"
"Ich habe Angst!"
"Angst? Vor wem denn?"
"Vor dem da!" sagte ich und deutete auf den "Kohlenklau".
"Vor dem da?" fragte mein Vater. "Vor dem brauchst du keine Angst zu haben, der ist ja nur gemalt. Merke dir, du brauchst dich vor nichts und niemand zu fürchten:"
Niemals habe ich diese Worte vergessen. Es waren die wertvollsten, die ich in meinem Leben hörte.
In den wichtigsten Situationen habe ich mich an sie erinnert. Von Fall zu Fall nutzen sie mir heute noch.
Ich habe Mut und Kraft daraus geschöpft, und bei Bedarf rufe ich sie mir wieder ins Gedächtnis.
Ich erinnere mich:
Der Krieg war vorbei und wir Kinder spielten wieder unbefangen, hauptsächlich in der Nachbarschaft, was für mich auch interessanter war.
Gegenüber war Gärtners Bauernhof mit Kühen, Ziegen, Ochsen, Pferden, Schweinen, Gänsen, Hühnern und einem Hahn.
Nebenan waren die Röders, genannt "Büttners" en Dorfschmied, auch, wie ich glaube, mit drei Kühen. Hier wohnte meine Freundin Elli. Daneben war die Bäckerei Freund mit Günter.
Bei Gärtners war immer was los; die Familie war groß und ich, als Einzelkind, fühlte mich dahin gezogen.
Ich fand es herrlich, da mitzuessen. Einen so großen Tisch gab es nur dort.
Onkel und Tante Gärtner, Liesel, Emma, Sophie, Wilhelm und Annemarie, meine Freundin.
Not war keine. Ein so großer Bauer hatte eben alles.
Heimlich, weil es verboten war, bekam meine Mutter bei Dunkelheit im Krieg Milch, weil ich etwas aufgepäppelt werden musste.
Jedenfalls richtete ich es auch immer so ein, dass ich da mitessen konnte. Ich war immer eingeladen. Alles was ich zu Hause nicht aß, schmeckte mir hier wunderbar.
Vor allen Dingen war es Wilhelm, der mir sehr gewogen und all meinem Unfug stets zugetan war - ja ihn unterstütze.
Wilhelm konnte es mit allen Kindern. Das hatte zur Folge, dass der Hof immer bevölkert war.
Ich hatte den Mut und das Privileg, auf den Pferden und einmal sogar auf dem Ochsen zu sitzen. Dem gefiel das aber gar nicht, er machte einen großen Satz und ich landete in der Futterkrippe. Altbauer Gärtner schimpfte fürchterlich. Ich habe es nicht noch einmal gewagt.
Meine größte Freude war es, wenn Wilhelm mich rief: "Komm, ich muss dir was zeigen!"
Dann waren entweder kleine Schweine, Ziegen oder ein Kälbchen geboren worden.
Eine Freude!
Der tägliche Besuch in Gärtners Stall führte dazu, dass ich jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, auch wenn ich es noch so leugnete, nach Kuhmist stank. Meine Mutter störte das natürlich in ihrem Friseursalon, und fast täglich musste ich versprechen, nicht mehr in den Stall zu gehen.
Wilhelm war damals ein junger Mann und voller Übermut. - Wir hatten zu dieser Zeit, glaube ich, 4 Hühner und einen Hahn. Gärtners hatten natürlich einen kompletten Hühnerhof mit einer Miste und einem sehr stolzen Hahn. Auch ein paar Gänse waren dabei. Hahn und Ganter bewachten den Hof und so kam es, dass mir eines Tages der Hahn auf dem Kopf saß und zu anderer Zeit wurde ich von dem Ganter gebissen. Aber all dies schreckte mich nicht.
Irgendwie gelang es mir immer, daran vorbei zu kommen.
Ich erinnere mich auch, dass unser Hahn eines Tages, so wurde beobachtet, mit Schlagseite von Gärtners Miste kam. Anfangs dachten wir, es hätte Revierkämpfe gegeben. Als er schließlich näher kam und ständig nach der Seite umkippte, stellten wir bei näherer Untersuchung fest, dass der Hahn komplett besoffen war. Wilhelm wollte ihm wohl einen Denkzettel verpassen und hatte ihn mit in Schnaps getränkten Brotkrumen gefüttert. Ich weiß nicht mehr, ob der Hahn das überlebt hatte oder nicht.
Herrlich war es beim Heueinfahren. Oft war ich mit beim Wenden und Heuholen. Am schönsten war es dann, wenn das Heu in die Scheune gebracht wurde. Wir Kinder, Annemarie, Horst, Heidi, Margret und ich, sprangen dann vom Katzenbalken ins Heu. - Herrlich!
Nach getaner Arbeit - das Heu war in der Scheune - gab es stets ein Ritual: Wilhelm spritzte uns, nachdem wir uns in Reih' und Glied aufstellen mussten, mit dem Wasserschlauch ab, erst hinten dann vorne. Dann gab es meistens noch ein Frühstück bei Tante Gärtner, und wir verzogen uns. Keiner von uns brauchte an diesen Tagen in den Schlaf gesungen zu werden. Am nächsten Tag war der ganze Körper voller kleiner Kratzer, aber was soll's!
Ich erinnere mich:
In dieser Zeit waren auch Kinder auf dem Land, die ausgebombt waren und sich hier erholen sollten. In diesem Fall war es Marlene, eine Frankfurterin, die bei Gärtners untergekommen war.
Marlene wurde in unseren Kreis aufgenommen. An diesem Tag, als Bauer Gärtner im Salon erschien, waren wir in der Gerätehalle rumgestöbert und hatten uns überall mal rein- oder draufgesetzt!
"Line!", rief Bauer Gärtner mit erhobener stimme, "kontrolliere sofort die Ingrid! Die Marlene hat Läuse aus Frankfurt mitgebracht!"
Gesagt, getan - man wurde fündig. Die Gemeindeschwester Frieda wurde noch zu Rate gezogen und da es nicht alles zu kaufen gab, wurde mein Kopf mit Petroleum eingeschmiert und einschließlich meiner Ohren fest verbunden. Ich weiß nicht mehr, wie lange das Zeug drauf war, aber ich weiß noch, dass meine Ohren ein Vielfaches ihrer Größe angenommen hatten, zum Schrecken meiner Mutter. Aber auch das ging vorbei und meine Ohren nahmen ihre ursprüngliche Gestalt wieder an.
Ich erinnere mich:
Nach der Bombadierung Hanaus mussten die Gärtners eine ausgebombte Familie aus Hanau aufnehmen, eine gewisse Familie Velten.
Herr Velten war von Beruf Hüttenmeister bei der Firma Heräus. Er kam aber zu dieser Zeit nicht in seinem Beruf unter, weil, wie ich zu glauben meinte und gehört hatte, Frau Anni Velten Halbjüdin war. So arbeitete Herr Velten weit unter seiner Berufung als Schmied und Reparateur für alles bei der Eisenbahn. Frau Velten, eine gesetzte fröhliche Frau, tat ihr Bestes, um auch bei Gärtners gut anzukommen. Sie half überall wo sie nur konnte. Auch bei meiner Mutter im Friseursalon war sie tätig und wusch fleißig Haare, um die Wartezeiten zu verkürzen.
Frau Velten hatte eine Tochter "Heidi!". Heidi war ein wohlerzogenes zurückhaltenes Mädchen, die von Frau Velten, die früher bessere Zeiten gesehen hatte, mit viel Bedacht und auch Erfolg erzogen wurde. Heidi wurde in unseren Kreis aufgenommen, was aber nicht ohne blaue Flecken ihrerseits ausging. Aber sie ertrug es und wurde von ihrer Mutter beschützt wo es nur ging. Einige Beschwerden wegen unseres und auch meines rüden Verhaltens gingen natürlich auch bei meiner Mutter ein. Dies führte zur Androhung heftigster Repressalien. Mit der Zeit legte sich dies aber und wir wurden dickste Freundinnen.
Frau Velten hatte, noch in Hanau wohnend, einige Semester Musik studiert und hatte eine wunderbare Sopranstimme. Um die Stimme zu üben, hörte man sie oft in ihrer kleinen Wohnung die Tonleiter rauf und runter singen, was bei uns Kindern nur auf Unverständnis stieß und uns öfters veranlasste, am Treppenabsatz zu ihrer Dachwohnung uns aufzubauen und ihr nachzusingen. Wie das ankam, kann man sich vorstellen. Ein Donnerwetter von oben und wir stoben auseinander.
Die schöne Sopranstimme von Frau Velten half auch mit, nach dem Krieg die von Lehrer Kasse mit unserem Gesangverein einstudierten Operetten "Frau Luna" und "Die lustige Witwe" zum erfolg zu führen und Frau Velten wurde eine kleine Berühmtheit in Sterbfritz und Umgebung.
An einem heißen Nachmittag im Sommer - Herr Velten hatte frei und werkelte bei Gärtners in der Maschinen- und Wagenhalle herum - saß ich gelangweilt auf Gärtners hoher Treppe und überlegte was zu tun wäre. Mein Vollballonrad, ein Herrenrad mit Stange, mit dem ich schon eine ganze Weile von der Seite gefahren war, verlor immer die Kette, und so hatte ich es zu Herrn Velten in die Halle geschoben und leise angefragt, ob er da was machen könne. "Selbstverständlich!" meinte Herr Velten. Er ging um die Scheune herum zu Schmied Röder und sagte: "Ich gehe zu Büttners Fritz", das war der Hausname von Röders, "und du bleibst auf der Treppe sitzen. Der Fritz hat dafür besser geeignetes Werkzeug!"
Gesagt - getan! Also, ich saß auf der Treppe und wartete.... Im Moment war aber auch gar nichts los und so verweilte mein Blick Geradeaus auf Gärtners Stalltür. Auf einmal bewegte sich etwas und eine ausgewachsene Ratte kam betulich im Zickzack über den Hof und verschwand hinter der sich am Treppenabsatz offen stehenden Kellertür. Ich blieb einen Moment wie gebannt sitzen. Aber meine Neugier überwog. Ich ging langsam die Treppe hinunter, mich vorsichtig im Keller umsehend, sah nichts, kam aber auf den Gedanken, vielleicht ist sie hinter der Kellertür. Langsam zog ich die Kellertür, die an der Wand anlehnte, vor und siehe da, die Ratte war in einen Spalt zwischen den großen Sandsteinquadern geschlüpft, saß bewegungslos in Schreckstellung, nur der Schwanz hing noch ca. 5 cm aus dem Gemäuer.
Ohne viel nachzudenken, fasste ich beherzt zu und versuchte, die Ratte rückwärts herauszuziehen. Dies gefiel ihr aber gar nicht. Sie schrie fürchterlich und versuchte, nach vorne weg zu kommen. Da es ihr aber nicht gelang, ging sie in die Offensive, drehte sich und verbiss sich in meinen kleinen Finger. So hing sie nun dran, ich konnte schütteln und alles mögliche tun, sie ließ nicht mehr los. Schweren Herzens und nun auch mit Angst rannte ich den Hof hinunter Richtung Büttners. Da kam zu meinem großen Glück Herr Velten um die Ecke. Ich hielt meine Hand mit der Ratte hoch und schrie: "Herr Velten, Herr Velten, mich hat eine Ratte gebissen!" Herr Velten war bass erstaunt. So etwas hatte er noch nie gesehen. Er griff nach einer in der Nähe stehenden Hacke und schlug die Ratte an meinem Finger tot. Nun fiel sie runter und wurde auf Gärtners Miste geworfen - ein beachtliches Exemplar!
Fürchterlich aufgeregt nahm er mich bei der Hand und stürmte schnellen Schrittes, ich kam kaum hinterher, in der Friseursalon zu meiner Mutter und schrie in seinem wunderbaren Hanauer Dialekt: "Line, Line, die Ingrid hat e Ratt gebisse!!"
Meine Mutter entgegnete: "Velten, ich glaub du spinnst, das gibt es doch nicht!"
"Doch, doch ich kann se dir zeiche, sie licht auf der Miste!"
Meine Mutter ließ alles stehen und liegen - die zwei Kunden, die sich im Geschäft befanden zeigten großes Verständnis - und wir drei eilten zu Gärtners Miste, um das "Corpus delicti" zu bestaunen. Ungläubigen Blickes musste meine Mutter akzeptieren, dass es nun doch so war. Innerhalb der nächsten Stunden bekam ich von Dr. Wolff eine Tetanusspritze und damit war auch dieses Abenteuer überstanden.
Bis zum heutigen Tage habe ich keine Ratte mehr am Schwanz angefasst!
Ich erinnere mich:
Mit Annemarie, meiner Freundin, ging ich auch oft Kühe hüten. Es war eine herrliche Zeit. Wir lagen auf der Wiese, ab und zu sahen wir nach den Kühen aber meistens philosophierend nach den Wolken. Vor allen Dingen hatten wir so herrlich Zeit, über andere Leute und das Dorfgeschehen zu plaudern. Aus heutiger Sicht gesehen, waren unsere Gespräche außerordentlich harmlos. Für uns war das Leben noch ein Geheimnis.
Wenn es Abend wurde, trieben wir die Kühe nach Hause, die ihren Weg alleine kannten. In Gärtners Hof angekommen gingen die Kühe dann erst einmal an den großen Trog, der vor dem Haus aufgemauert war, um ihren Durst zu stillen.
Dieser Trog war ungefähr 7m lang und immer voll mit Wasser, was uns Kinder im Sommer an heißen Tagen veranlasste, ihn zur Abkühlung und zum Planschen zu benutzen.
Ganz ungefährlich war das nicht, denn von den vielen Kühen, die ihren Schleim beim Saufen hinterließen, war der Trog klitschig und man musste höllisch aufpassen, nicht auszurutschen.
Aber wen störte das schon!
Durch den Tunnel und gegenüber unseres Hauses auf der anderen Straßenseite fließt der Seemenbach, der zu dieser Zeit noch nicht verrohrt war. Entlang des Baches bis hoch zum Tunnel befand sich eine Allee mit roten Kastanienbäumen, die herrlich anzusehen waren, zumal die Einfahrt zum Koch'schen Haus auch mit roten Kastanien gesäumt war. Dies war ein wundervoller Dorfmittelpunkt. Das Koch'sche Haus mit seinem parkartig angelegten Garten war für mich ein Anziehungspunkt und sein morbider Charme hatte für mich etwas geheimnisvolles und hochherrschaftliches.
Dieses Haus bewohnte Frl. Herta Koch, eine Schwester von unserem Dr. Koch. Während des Krieges und danach musste sie es mit einigen Leuten teilen, die ihr zugewiesen waren. Frl. Koch war eine dunkelhaarige feine Person und für mich der Inbegriff einer Dame. So zu werden, empfand ich damals als erstrebenswert.
Zum Seemenbach zurück. Es war so, dass dieser Bach in seiner ganzen Länge mit einem Geländer aus runden Rohrstangen abgesichert war, aber so, dass man noch wunderbar dran turnen konnte. Kurz bevor der Seemenbach dann in die verrohrte Kinzig mündete, war ein Staubrett. Das Wasser war hier etwa 1 m hoch angestaut für den Fall, dass die Feuerwehr ausrücken musste und man Wasser brauchte. Hinter diesem Brett floss dann die Seeme in die verrohrte Kinzig.
Wir Kinder betrachteten es als Mutprobe, in die Rohre so weit wie möglich reinzukriechen. Dicke Spinnlappen hinderten uns nicht daran, hier Wettbewerbe auszutragen. es geschah auch des öfteren, dass wir bei unseren Turnübungen von der Stange fielen und in der Seeme landeten. Das alles machte nichts! Auch versuchten wir des öfteren, auf dem Staubrett balancierend, uns auf die andere Seite zu begeben, was meistens auch mit einem Reinfall endete. Irgendwann wurden dann zu unserem Kummer die Kastanien geschlagen und die Seeme verrohrt - und Sterbfritz wurde um eine schöne Ansicht ärmer! -
Wenn ich nicht gerade bei Gärtners war oder an der Bachstange turnte, war ich bei Elli oder Günter.
Bei Röders (Büttners) beeindruckte mich, dass immer Ordnung herrschte. Ellis Vater war eine Respektsperson für mich und er duldete keine Auswüchse. So spielten wir brav stundenlang im Garten, schaukelten und verbrachten so den Tag. Es wäre mir auf keinen Fall eingefallen, hier zu opponieren. Die markante Stimme von Ellis Vater brachte auch den kleinsten Versuch zum Erliegen. So verbrachten wir die Zeit mit Handarbeiten, häkelten Topflappen und umsäumten Taschentücher und Deckchen. Dies alles wurde dann gebührend begutachtet und gelobt.
Ich erinnere mich:
Wenn ich bei Elli ausgespielt hatte und auch sonst nichts los war, besuchte ich 'mal Günter. Die Freunds hatten aber einen Hund, der an der Kette lag, namens "Sultan". Dieser Sultan konnte mich einfach nicht leiden. Das kam daher, so weiß ich es heute, dass ich niemals gemäßigten Schrittes gehen konnte, sondern nur rannte und über alles hinweg sprang. Wenn möglich noch dicht neben Sultan, was ihn zur Verzweiflung brachte und er mich dann auch zweimal biss, nachdem er sich losgerissen hatte. Ich sah aber immer sofort ein, dass ich selbst Schuld war und bin aus diesem Grund bis zum heutigen Tage ein Hundefreund geblieben.
Bei Freunds gab es auch immer viel Interessantes in der Bäckerei zu sehen. Der Teig wurde geknetet, die Brötchen geformt, die Hörnchen bepinselt usw. Im ganzen Haus war Harmonie, was mir sehr gefiel.
Vor allen Dingen gab es viele Ecken in Hof und Garten, in denen man herrlich Verstecken spielen konnte. Hervorragend eignete sich hier auch der Kohlenkeller, der immer mit Eierkohlen gefüllt war, weil der Backofen zu dieser Zeit damit geheizt wurde. Nun, dieser Keller war ein geeignetes Versteck. Er war dunkel und schwarz, man wurde nicht so leicht entdeckt. Schwarz war man natürlich auch, wenn man herauskam, was zunächst nicht schlimm war. Wichtig war dann nur, das Nachhausekommen zu überstehen.
Fast niemals hatte ich in meiner Kindheit ganze Strümpfe und Knie. Ständig hatte ich überall Plessuren, aber - Gott sei Dank - war nie etwas gebrochen. Meine Mutter hatte ihre liebe Not. Es gab doch nichts! Keine Baumwollstrümpfe, und die wollenen Strümpfe kratzten. Ich weigerte mich vehement, diese anzuziehen. Bei Wollstrümpfen hing bei uns der Haussegen sehr schief. Mit Rührlöffel und anderen Gegenständen wurde mir gedroht und mitunter wurden sie auch eingesetzt. Mein Vater hatte dann die Idee, die in seinem Sanitätskasten noch verbliebenen Schlauchbinden in entsprechende Stücke zu schneiden, die ich dann unter den Strümpfen aus Wolle trug. Nur so ging es!
Da ich etwas rachitisch war, sollte ich immer Lebertran einnehmen. - Pfui!! Ich widerstand meiner Mutter längere Zeit standhaft und machte den Mund nicht auf. In solchen Fällen kam dann wieder Gemeindeschwester Frieda zum Einsatz. Sie wurde beim täglichen Gang durchs Dorf abgepasst und ihr gelang es dann - die Haube flößte mir Respekt ein - dass ich den Mund aufmachte.
Nach unserer Einschulung kamen neue Bekanntschaften hinzu, und langsam gesellte sich in unseren eingeschworenen Mitteldorfkreis ein Oberdörfer. Er wurde der beste Freund von Günter. Karl-Heinz war es, der zu unserem Kreis dazu kam Dies war mein Glück, denn beide, Günter und Karl-Heinz, unterstützten mich oft bei meinen Hausaufgaben, weil ich ja so wenig Zeit hatte und beide auch besser rechnen konnten. Außerdem ließ ich mich auch nicht verdrängen !!
Karl-Heinz war und ist auch heute noch ein Exot. Ich weiß nicht so recht, wo es herkommt. Jedenfalls war er während der Schulzeit, vor allem in der Zeit der Heuernte, schwärzer als kohlrabenschwarz, was bei unserer damaligen Lehrerin, Frl. Kellen, den Verdacht aufkommen ließ, er habe sich den Hals nicht gewaschen. Ich erinnere mich, dass er einmal an der Wasserleitung im Schulhof seinen Hals waschen musste — allerdings ohne Erfolg! - Danach ist dies nicht wieder vorgekommen. Auch Frl. Kellen war nun überzeugt, dass er so schwarz von Natur aus war.
Die Eltern von Karl-Heinz waren sehr nette höfliche Leute, die es auch ertrugen, wenn ich ab und an — sollte im Mitteldorf nichts los gewesen sein — dort erschien, ja, ich glaube sogar, sie freuten sich darüber.
Um mich zur Räson zu bringen, wurde auch jährlich der Nikolaus bemüht. Ich war aber schon so weit informiert, und in meinem Freundeskreis war schon der Verdacht aufgekommen, dass es eventuell gar keinen Nikolaus gibt. So sah ich ziemlich sorglos dem Tag entgegen, an dem er erscheinen sollte.
Ich unterließ es natürlich nicht, bei meinen Eltern beiläufig zu erwähnen, dass ich nicht mehr daran glaube und es ja doch all die Jahre der Gärtners Wilhelm gewesen sei. ,,Du wirst schon sehen!“ drohte meine Mutter.
Der Nikolaustag kam und es wurde dunkel. Gleichzeitig kühlte sich mein Mütchen und ich wurde langsam stiller. Irgendwann polterte es draußen und Ketten klirrten, jedenfalls hörte es sich sehr bedrohlich an, der Nikolaus erschien. Mit furchterregender Stimme, alle meine Missetaten aufzählend, mit der Rute schwingend und der Kette rasselnd, versuchte er, mich zu bekehren. Als ich so vor ihm stand, innerlich immer noch etwas aufmüpfig, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte: ,,Du bist der Gärtners Wilhelm !“ Erstarrung allenthalben, meine Mutter entsetzt, der Nikolaus in Hochform. Mit rauer Stimme drohte er an, dass er die Kette extra für mich mitgebracht habe und mich jetzt sofort auch in den Sack stecken werde, Wenn ich noch einmal seine Autorität als Nikolaus anzweifeln sollte. Ich könne mich nur noch retten, wenn ich jetzt auf der Stelle ein Lied singen oder ein Gebet sagen würde. In der Aufregung fiel mir ,,zum Verrecken“ kein Gebet und kein Lied ein, aber ich hatte mich vorsichtshalber rückwärts begebend unter den in der Zimmermitte stehenden Küchentisch gehockt, um dort eventuell Schutz zu finden. Der Nikolaus beugte sich zu mir herab, schaute unter den Tisch und bestand noch einmal und letztmalig auf seiner Forderung! Das einzige Lied, das mir einfiel, war ,,Ein Platz an der Sonne!“ Ich sang es dann. Ein großes Zugeständnis vom Nikolaus und äußerste Nachsicht von ihm retteten mich hier — ,,letztmalig“ wie er sagte.
Er verabschiedete sich dann, mir nochmals drohend und einige Versprechungen abverlangend, und verschwand. Einen Moment blieb ich noch unter dem Tisch sitzen und überlegte ??? Harte er nicht unseren Kaffeewärmer auf ?? Und wenn, kam ich zu dem Ergebnis, war er doch der Gärtners Wilhelm! Ich kam langsam unter dem Tisch hervor und verkündete laut: ,,Es war doch der Gärtners Wilhelm !“ Meine Mutter bestritt dies vehement. Es hatte aber zum Erfolg, dass der Wilhelm nie mehr unseren Kaffeewärmer auf hatte.
Nach dem Krieg — man hatte rein gar nichts — aber wir hatten Verwandte in Amerika und somit ein Privileg. Schwester und Cousine meines Vaters lebten in den USA und schickten fleißig Care-Pakete. Meine Tanten Emmy und Gretel und Cousine Mildred schickten diese Pakete ,,Auf die grüne Aue“ und hier wurde alles von meiner Oma, Krügers Margarete, nach ihrem Gutdünken an die zahlreichen Enkel verteilt.
Dies wurde dankbar angenommen und, nachdem ich meinen Anteil an Kleidung abgetragen hatte und auch herausgewachsen war, bekamen die Sachen Veltens Heidi. Heidi trug es auch ein Jahr, danach das gleiche Spiel. Was noch nicht das Zeitliche gesegnet hatte, kam zu Scheels, die eine Tochter namens Helga hatten. Danach hatte das meiste seine Schuldigkeit getan und wurde dann noch zu Putzlappen, Staublappen etc. verarbeitet.
Ich erinnere mich, dass in einem Paket auch eine Muskatnuss war. Ich kannte diese nicht und hämmerte darauf herum, um sie zu knacken — natürlich ohne Erfolg - bis meiner Mutter plötzlich einfiel ,,das ist ja eine Muskatnuss“. Sie hatte auch schon lange keine mehr gesehen und im Moment nicht daran gedacht. So war auch die Muskatnuss eine außerordentliche Neuigkeit.
Die Verwandtschaft in Amerika führte dazu, dass ich schon in jungen Jahren den Gedanken hegte, mit 18 Jahren nach Amerika auszuwandern. Bei jeder Gelegenheit, wenn mir zu Hause etwas nicht passte, drohte ich damit. Meine Mutter versetzte dies in Angst und Schrecken und sie wies meine Tante bei deren Deutschlandbesuch immer wieder daraufhin, dass sie mir nur keine Hoffnungen machen möge. Ich muss gestehen, lange Zeit war dies in meinem Kopf und ich legte diesen Gedanken erst nach meinem ersten Amerikabesuch, den meine Tante finanzierte, zur Akte.
Zur damaligen Zeit hat mich Amerika sehr erschrocken.
Wenn ich meine Umtriebe rund um die Nachbarschaft gestillt hatte, fuhr ich dann auch mal mit dem Vollballonrad auf die Aue. Hier wohnten meine Großeltern, Opa Adam mit Oma Margarete, ferner Onkel Georg mit Tante Marie, Christel, Marlis und Fred. Außerdem gab es da noch den Bauernhof von Dietzes, der auch immer Ziel meiner Ausflüge war. Die Dietzes hatten auch Pferde und somit war es hier für mich äußerst interessant. Oft gestattete mir Walter, der Bauer, und auch seine Frau Helga, auf den Pferden zu reiten. Langsam erlernte ich die Technik im Reiten ohne Sattel. Helga stimmte der Sache immer sehr, sehr bedenklich zu, aber ich hatte einfach keine Angst.
Auf der Aue war immer etwas los. Mein Opa hatte zwei Ziegen, an die ich mich auch deshalb erinnere, weil meine Oma immer Ziegenmilchkakao kochte, was eine Spezialität und Rarität in dieser Zeit war. Leider konnte dieser nicht den ziegenmilcheigenen Geschmack überdecken und so hielt sich der Genuss in Grenzen.
Mein Opa war im l. Weltkrieg Ulan und besaß eine wunderschöne Uniform und einen Säbel, was ich sehr bewunderte. Er war ein gutmütiger lieber Mensch. Er betreute und versorgte die hinter dem Haus gehaltenen Ziegen, Hühner, Gänse und Enten, die hier ein kleines Paradies hatten, denn angrenzend an die Hauswiese floss die Kinzig. Ein herrliches Areal, was uns Kinder bewog, bei jeder Gelegenheit an der Kinzig zu spielen. Mehrfach wurde sie aufgestaut, indem wir dicke Grasbüschel mit Erde und Schlamm aus dem Ufer ausrissen und damit eine so genannte ,,Staue“ bauten. Für uns war das Schwerstarbeit und ein Tagewerk.
Danach war immer das Nachhausekommen schwierig, denn diese Bauarbeiten hatten unmissverständlich Spuren hinterlassen.
Die Aue war auch deshalb für mich so interessant, weil hinter dem Geisenstall nach Bedarf eine Hütte nach der anderen aufgebaut wurde und sich hier für uns Kinder ungeheure Spielmöglichkeiten ergaben. Wir machten große Entdeckungen und konnten uns hier sehr gut verstecken. — Herrlich!
Alle paar Jahre hatten wir in Sterbfritz große Überschwemmungen. Wir waren schon – was blieb uns auch anderes übrig — daran gewöhnt.
Wenn am ,,Langen Berg“ ein Wolkenbruch niederging und es lang anhaltend regnete, schwoll der Seemenbach an, die Seeme trat über die Ufer, überschwemmte die Straße. Da die verrohrte Kinzig diese Menge Wasser nicht aufnehmen konnte, kam es in der Mitte des Dorfes zu einem großen See, der zur Folge hatte, dass unser Keller immer voll Wasser stand. Das Grundwasser stieg an und kam zurn Teil zwischen den Sandsteinquadern, mit denen der Keller gemauert war, durch. Es lief auch zu den Kellerfenstern rein.
Ich erinnere mich, dass schon in dieser Zeit mein Vater alles auf hochbeinige Gestelle verlagen hatte, um Eingemachtes, Kartoffeln etc. zu retten.
Nun war es aber so, dass für uns Kinder so ein Hochwasser eine Riesensache war. Wir zogen Schuhe und Strümpfe aus und wateten mit Freuden und mit hochgerafften Röcken in der braunen Brühe herum. Da alle Erwachsenen in solchen Stunden mit wichtigeren Dingen beschäftigt waren, konnten wir Kinder doch eine ganze Weile unseren Neigungen nachgehen.
Einmal kamen wir auf die Idee, den Backtrog, der sich im Haus befand und der noch zum Brotbacken gebraucht wurde, als Boot zu verwenden. Wir schoben diesen in etwas tieferes Wasser und versuchten, nachdem wir uns zu dritt hinein gekauert hatten, uns damit fortzubewegen. Dies gelang uns leider nicht. So mussten wir das Unterfangen aufgeben und der Backtrog, der inzwischen innen und außen eine bräunliche Farbe angenommenen hatte, wurde wieder an seinen Platz gestellt.
Diese und viele, viele andere Begebenheiten füllten mein Leben in dieser Zeit aus.
Ich hatte keine Langeweile und wenn dies doch einmal vorkommen sollte, ich war um keinen Einfall verlegen.
Das Spielen mit den uns von der Natur gegebenen Dingen stand im Vordergrund. Wiesen, Wälder, Bäume, Bäche, Blumen, Steine etc. waren für uns das, was in den späteren Jahren durch gekauftes, zum Teil sehr teures Spielzeug, die Kindheit bereicherte.
Ich erinnere mich:
Die schöne Zeit wurde eines Tages unterbrochen. Ich saß auf der Treppe vor unserem Haus, als große Aufregung bei Gärtners im Hof war. Der ,,Rote-Kreuz-Wagen“ und ein Arztfahrzeug standen vor dem Haus und man trug Gärtners Johann auf einer Trage zu dem Krankenwagen. Er stöhnte fürchterlich. Ich kann mich noch genau erinnern, wie schrecklich dies war. Auf dem Weg zum Schlüchterner Krankenhaus ist er dann verstorben.
An diesem schwülen Tag war Bauer Gärtner mit dem Pferdegespann auf eine Wiese am ,,Langen Berg“ gefahren. Viele Bremsen setzten den Pferden zu und diese wurden unruhig. Um sie zu zügeln, begab er sich hinter die Pferde, stand somit vor dem Wagen. Die Pferde brachen aus, wendeten abrupt und Teile der Deichsel bohrten sich in seine Lunge — er starb.
Nun musste Wilhelm den Hof übernehmen und er war der Bauer. Gemeinsam mit seiner Frau Martha bewirtschaftete er den Hof. Sie bekamen Kinder und alle Unbefangenheit der Kinder- und Jugendjahre war vorbei.
Auch bei mir fing der Ernst des Lebens an. Es erschlossen sich andere Dinge.
Wir alle aber blieben uns verbunden bis zum heutigen Tage. Ab und an trifft man sich, denkt zurück, ein bisschen wehmütig aber voller Freude und Dankbarkeit für diese unvergessene Zeit. — Ein Geschenk!!